Widerruf
Immobilienkreditverträge
Widerruf von
Immobiliendarlehen
Aktueller Stand der Rechtsprechung zum "Widerrufsjoker" (24.10.2019)
Das Widerrufsrecht für Altverträge, die im Zeitraum von 2002 bis zum 10.06.2010 abgeschlossen wurden, ist am 21.06.2016 - bis auf wenige Ausnahmen - erloschen. Darlehensverträge mit Abschlusszeitpunkt im Zeitraum vom 11.06.2010 bis 20.03.2016 werden hingegen von der gesetzlichen Neuregelung nicht erfasst. Für diese Verträge gilt deshalb weiterhin ein im Prinzip „ewiges“ Widerrufsrecht. Solche Darlehensverträge mit Abschlusszeitpunkt ab dem 11.06.2010 weisen eine erhebliche Fehlerquote auf.
Die Entdeckung zahlreicher neuer Widerrufssachverhalte bei Darlehensverträgen aus diesem Zeitraum hat dazu geführt, dass der „Widerrufsjoker“ als rechtlicher Hebel für Darlehensnehmer, sich aus der rechtlichen Bindung an Darlehensverträge aus Hochzinszeiten zu befreien, weiterhin von hoher Aktualität ist. Die einschlägigen Fehler in Darlehensverträgen, auf denen die neuen Widerrufsmöglichkeiten beruhen, dokumentiert der folgende Überblick:
1. Das Schlüsselwort in der Widerrufsinformation: die "zuständige Aufsichtsbehörde“
Auf Grundlage des BGH-Urteils vom 22. November 2016 – XI ZR 434/15 - ist eine höchst positive Entwicklung zu Gunsten der Darlehennehmer mit Neuverträgen im Abschlusszeitraum vom 11.06.2010 bis 21.03.2016 eingetreten, in deren Widerrufsbelehrung der Beginn des Fristenlaufes davon abhängig gemacht wird, dass der Darlehensnehmer über die für die Bank zuständige Aufsichtsbehörde (in der Regel "Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)" informiert worden ist. Die fragliche Widerrufsbelehrung sieht wie folgt aus:
Widerrufsinformation
Widerrufsrecht
Der Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer die Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z. B. Angabe des effektiven Jahreszinses, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrages, Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde) erhalten hat. (…)
Der Darlehensnehmer hat alle Pflichtangaben erhalten, wenn sie in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung seines Antrags oder in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung der Vertragsurkunde oder in einer für den Darlehensnehmer bestimmten Abschrift des Antrags oder der Vertragsurkunde enthalten sind und dem Darlehensnehmer eine solche Unterlage zur Verfügung gestellt worden ist. Über in den Vertragstext nicht aufgenommene Pflichtangaben kann der Darlehensnehmer nachträglich in Textform informiert werden, die Widerrufsfrist beträgt dann einen Monat. Der Darlehensnehmer ist mit den nachgeholten Pflichtangaben nochmals auf den Beginn der Widerrufsfrist hinzuweisen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an (…)
Aufgrund der erwähnten BGH-Entscheidung (bestätigt durch Urteil vom 04.07.2017 - BGH IX ZR 741/16) hängt die Frage der Widerrufbarkeit derartiger Darlehensverträge entscheidend davon ab, ob das Kreditinstitut im Rahmen des individuellen Vertrages die zuständige Aufsichtsbehörde mit deren Anschrift tatsächlich genannt hat. Hat die Bank diese Angabe unterlassen, hat dies zur Konsequenz, dass die 14-Tagefrist nicht in Gang gesetzt worden ist und der Darlehensvertrag auch noch zum jetzigen Zeitpunkt im Prinzip ohne Befristung widerrufen werden kann.
Für die Wirksamkeit der Unterrichtung ist ausreichend, wenn die Angabe der vermeintlichen Pflichtangabe der zuständigen Aufsichtsbehörde im Rahmen der dem Vertrag (als Anlage) beigefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) erfolgt, nicht jedoch die Angabe im „Europäischen Standardisierten Merkblatt" (ESM). (so OLG Frankfurt, Urteil vom 11.04.2017 - 25 U 110/16; OLG Karlsruhe, Urteil v. 14.03.2017 – 17 U 204/15)
Insbesondere die Sparkassen haben das entsprechende Formular bundesweit flächendeckend verwandt. In den von unserer Kanzlei geprüften Verträgen konnte bislang in keinem einzigen Fall im Rahmen des eigentlichen Vertragstextes oder der AGB der erforderliche Hinweis auf die zuständige Aufsichtsbehörde aufgefunden werden. Dieser Sachverhalt eröffnet sehr gute Aussichten, mit Unterstützung eines Fachanwaltes mit den betroffenen Kreditinstituten außergerichtliche Verhandlungen mit dem Ziel einer Neukonditionierung derartiger Darlehensverträge aufzunehmen.
Dies gilt bundesweit insbesondere für die
Darlehensverträge der Sparkassen, insbesondere der
Hamburger Sparkasse aber auch zahlreicher
Sparkassen im Hamburger Umland und im norddeutschen Raum wie bspw.
der Sparkasse Harburg-Buxtehude, der
Sparkasse Hannover sowie der Hannoverschen
Volksbank, ferner auch Swiss-Life, BHW-Bausparkasse, Kreissparkasse
Köln und R + V Versicherung, Sparkasse Neuwied. Die genannten
Institute haben insbesondere in den Jahren 2010 bis 2013 vielfach
derartige widerrufbarer Darlehensverträge abgeschlossen. Gleiches
gilt für Darlehensverträge der Deutschen Bank Privat- und
Geschäftskunden AG und der
DSL.
In letzter Zeit sind in derartigen Konstellationen unter Bezugnahme auf das BGH-Grundsatzurteil insbesondere vor dem Hamburger Landgericht mehrere einschlägige Urteile gegen die Hamburger Sparkasse ergangen (LG Hamburg, Urteil v. 26.07.2017 - 331 O 420/16, LG Hamburg, Urteil v. 25.10.2107 - 325 O 345/16), ebenso gegen die Sparkasse Harburg- Buxtehude (LG Hamburg 303 O 109/17.
Fiktive Nachholung der
Pflichtangabe "Aufsichtsbehörde" auf
(Jahres)Kontoauszug
Einzelne Sparkassen wie etwa die Hamburger Sparkasse haben den untauglichen Versuch unternommen, „klammheimlich“ die unterlassene Angabe der Aufsichtsbehörde nachzuholen, indem sie diese Angabe kommentarlos auf Kontoauszügen der Darlehensnehmer platzieren. Dieser Versuch, eine rechtswirksame Nachholung zu fingieren, ist bereits im Ansatz zum Scheitern verurteilt. Denn die Widerrufsfrist wird gem. § 492 Abs. 6, S. 4 BGB nur unter der Voraussetzung in Gang gesetzt, dass gleichzeitig über die in diesen Fällen maßgebliche neue Widerrufsfrist von einem Monat nach Erhalt der nachgeholten Angaben aufgeklärt wird. Die HASPA hat vor einigen Monaten nicht unerwartet im Rahmen eines von unserer Kanzlei eingeleiteten Schlichtungsverfahrens bei der Schlichtungsstelle des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes in einem derartigen Falle eingelenkt und ihre Bereitschaft bekundet, den streitgegenständlichen Kreditvertrag auf der Grundlage des aktuellen Zinsniveaus umzuschulden. In einem weiteren von uns durchgeführten Schlichtungsverfahren ist eine positive Entscheidung zugunsten der betroffenen Darlehensnehmer ergangen. Der Schlichterspruch vom 01.09.2017 (Az.: 1160/2017 – M116) ist der von uns vertretenen Rechtsauffassung gefolgt und hat die Nachholung der Angabe der zuständigen Aufsichtsbehörde wegen des fehlenden Hinweises auf die einmonatige Widerrufsfrist für die Nachinformation für unwirksam erklärt.
Nunmehr ist das lange erwartete erste einschlägige Urteil gegen die HASPA ergangen: LG Hamburg, Urteil vom 23.04.2018 – 318 O 341/17. Damit dürfte der Weg endgültig frei sein, auch ohne Absicherung durch eine Rechtsschutzversicherung bei einer solchen Konstellation einen Widerruf durchzusetzen. Die HASPA verschließt sich jedenfalls nach unseren Erfahrungen nicht länger gegenüber anwaltlich vertretenen Darlehensnehmern der Aufnahme von Vergleichsverhandlungen.
Die „zuständige Aufsichtsbehörde“ bei ING-DiBa und Münchener Hypo-Bank
Eine besonders erfolgsträchtige Variante dieser Widerrufsbelehrung beinhalten die im fraglichen Zeitraum von der ING-DiBa abgeschlossenen Immobiliendarlehensverträge.
Bei der beispielhaften Auflistung von Pflichtangaben, die die Bank gegenüber dem Darlehensnehmer erfüllen muss, damit die Widerrufsfrist zu laufen beginnt, nennt die ING-DiBa unter anderem die „für den Darlehensnehmer zuständige Aufsichtsbehörde“. Unabhängig davon, dass die für den Darlehensnehmer zuständige Aufsichtsbehörde keine Pflichtangabe bei Immobiliendarlehensverträgen darstellt, existiert eine solche für den Darlehensnehmer zuständige Aufsichtsbehörde nicht. Vielmehr gibt es nur eine für die Banken zuständige Aufsichtsbehörde. Somit ist der ING-DiBa die Benennung einer solchen Aufsichtsbehörde, die für den Beginn des Fristlaufs laut Belehrungstext zwingend erforderlich ist, überhaupt nicht möglich. Rechtsfolge: Die Widerrufsfrist für den Darlehensnehmer beginnt zu keinem Zeitpunkt.
Dasselbe Formular hat nach einem Bericht der IG Widerruf im fraglichen Zeitraum von Juni 2010 bis 2011 auch die Münchener Hypothekenbank verwendet.
2. Bindung des Fristlaufes an die Bedingung der Erfüllung der Pflichten gem. § 312 g BGB a.F.
Die Entscheidung des BGH vom 04.06.2019 (Az. XI ZR 331/17) hat für viele Darlehensnehmer eine neue Möglichkeit eröffnet, ihre ab dem 11.06.2010 abgeschlossenen Kreditverträge zu widerrufen. Dies betrifft Fälle, in denen die Bank im Rahmen der Widerrufsinformation den Beginn der Widerrufsfrist davon abhängig gemacht hat, dass der Darlehensgeber „seine Pflichten aus § 312g Absatz 1 Satz 1 BGB (…) erfüllt hat.“
§ 312g BGB a. F. Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr |
(1) Bedient sich ein Unternehmer zum Zwecke des Abschlusses eines Vertrags über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen der Telemedien (Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr), hat er dem Kunden
|
Dieser Passus gilt allerdings nur auf Geschäfte,
die im elektronischen Geschäftsverkehr geschlossen werden. Ein
Vertragsabschluss auf dem Wege des "elektronischen
Geschäftsverkehrs" liegt nur dann vor, wenn das Geschäft
ausschließlich online geschlossen wird. Dies
allerdings kommt bei Immobilienkreditverträgen so gut wie niemals
vor. Obwohl seit Juni 2010 die rechtliche Möglichkeit besteht, auch
Darlehensverträge im elektronischen Geschäftsverkehr zu schließen,
werden in aller Regel Immobiliardarlehensverträge nach wie vor im
Wege der eigenhändigen Unterzeichnung der Vertragsurkunde durch die
Vertragsparteien insbesondere den Darlehensnehmer abgeschlossen.
Die eigenhändige Unterzeichnung auch nur eines Vertragspartners
jedoch hat zur Folge, dass der Vertrag nicht unter die Vorschriften
des elektronischen Geschäftsverkehrs fällt.
Dementsprechend hat der BGH in der erwähnten Entscheidung die Verwendung einer derartigen Klausel im Rahmen der Widerrufsinformation eines nicht im elektronischen Geschäftsverkehr abgeschlossenen Immobiliendarlehensvertrags als Widerspruch zur maßgeblichen Rechtslage erklärt. Der Umstand, dass der Beginn der Widerrufsfrist an die Erfüllung einer Bedingung gebunden wurde, die mangels des Vorliegens eines im elektronischen Geschäftsverkehrs abgeschlossenen Vertrages objektiv gar nicht erfüllbar ist, hat zur Konsequenz, dass die 14-tägige Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt wurde und somit derartige Darlehensverträge auch zum jetzigen Zeitpunkt noch widerrufbar sind. Entweder, weil der fragliche Passus die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsinformation begründet oder aber die Nichterfüllung dieser vom Darlehensgeber selbstauferlegten nichterfüllbaren Verpflichtung dazu führt, dass die Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt wird.
Nach den uns vorliegenden Informationen betrifft dies insbesondere Kreditverträge der Genossenschaftsbanken (Sparda-Banken, Volks- und Raiffeisenbanken, PSD-Banken)
Vor dem Hintergrund des auf ein historisches Rekordtief gesunkenen Immobilienzinsniveaus beinhaltet die Entscheidung des BGH ein enormes Sparpotenzial für Verbraucher. Denn sie können mit einem erfolgreichen Widerruf aus einem laufenden teuren Darlehen aussteigen und einen neuen Immobilienkredit zu Zinsen von teilweise unter einem Prozent abschließen oder aber bei vorzeitiger Ablösung des Kredites (im Falle eines Verkaufs der Immobilie) die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung vermeiden.
3. Fehlende Erteilung der vermeintlichen Pflichtangabe „Einhaltung des Kündigungsverfahrens“
Dasselbe gilt, wenn das Kreditinstitut in der Widerrufsinformation den Fristbeginn von der Information über das bei der Kündigung einzuhaltende Verfahren abhängig macht, aber im Vertrag diese Information nicht oder nur unzureichend erteilt, beispielsweise wenn nur über die Kündigungsrechte der Bank nicht aber die Kündigungsrechte des Darlehensnehmers informiert wird (so in Verträgen der Nordrheinischen Ärzteversorgung)
4. Fehlende Angabe der Vertragslaufzeit
Möglicherweise widerrufbar sind auch Darlehensverträge insbesondere der ING-DiBa und der Degussa Bank, in denen die echte Pflichtangabe der Laufzeit des Vertrages nicht angegeben worden ist. Die in den Darlehensverträgen der INGDIBA enthaltene Angabe lediglich bezüglich der Anzahl der Darlehensraten lediglich bis zum Ende der Zinsfestsschreibung reicht in diesem Zusammenhang nicht aus. Die Gesamtvertragslaufzeit nämlich ist durchweg weitaus länger als die 10- bis 15-jährige Zinsfestschreibung und beträgt in der Regel 30 Jahre. Um dem Verbraucher den zeitlichen Umfang der eingegangenen rechtlichen Bindung vor Augen zu führen, ist es deshalb unerlässlich, auf der Grundlage der Annahme unveränderter Darlehenskonditionen (anfänglicher Tilgungs- und Zinssatz) die erforderliche Information über den Zeitpunkt der vollständigen Zurückzahlung entweder mittels der Angabe der Zahl der Raten bis zur voraussichtlichen Tilgung des Kredites oder der Angabe eines voraussichtlichen Endtermins zu erteilen. Die INGDIBA hatte zunächst unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des OLG Frankfurt vom 03.07.2017 (Az.: 23 U 172/16), wonach in Fällen von „unbefristeten Verträgen“ oder Verträgen „mit unbestimmter Laufzeit“ keine rechtliche Verpflichtung zur Angabe der Vertragslaufzeit bestünde, eine außergerichtliche Regulierung dieser Fälle abgelehnt. Vor dem Hintergrund einer Reihe von Verfahren, in denen die Gerichte eine abweichende Position zu Gunsten der Darlehensnehmer vertreten hatten, ist die INGDIBA bei dieser Fallkonstellation aber nunmehr zunehmend vergleichsbereit geworden, falls ein gerichtliches Verfahren außerhalb des Gerichtsortes Frankfurt a. M. am Wohnsitz des Kunden (Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem. § 29 ZPO) eingeleitet wird. Dies ist aber wegen des Kostenrisikos vorläufig nur mit Rückendeckung durch eine Rechtsschutzversicherung zu empfehlen. Diese Einschätzung kann sich ändern, sobald positive Urteile von Oberlandesgerichten zu dieser Streitfrage vorliegen.
5. Fehlende Angabe von Anzahl und Fälligkeitszeitpunkt der (monatlichen) Darlehensraten
Diese Fehler finden sich in Verträgen einer Reihe von Kreditinstituten insbesondere der DSL-Bank und der Bausparkasse Mainz.
Standardbeispiel: Der Vertrag beinhaltet lediglich die Angabe, dass die Raten monatlich zu zahlen sind, ohne den genauen Zeitpunkt der Fälligkeit - bspw. am Monatsanfang oder am Monatsende - zu benennen. Dies Angabe ist aber eine Pflichtangabe gem. Art. 247 EGBGB a. F. §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 9 Abs. 1, 3 Abs. 1, Nr. 7. Die Konsequenz bei Fehlen von Pflichtangaben: Die Widerrufsfrist wird nicht in Lauf gesetzt. Hier bestehen hohe Erfolgsaussichten.
6. Fehlerhafte Angabe des Effektivzinses
Ein jüngst veröffentlichtes Urteil des OLG Köln vom 26.03.2019 - 4 U 102/18 hat eine bislang kaum beachtete neue Widerrufsoption eröffnet. Danach kann ein Darlehensvertrag widerrufen werden, wenn im Kreditvertrag ein fehlerhafter Effektivzins angegeben ist. Nicht nur das Fehlen der Abgabe des Effektivzinses sondern auch eine falsche Angabe seiner Höhe wird vom OLG Köln als Nichterfüllung der gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtangabe gem. Art. 247, §§ 9, 3 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB eingestuft mit der Rechfolge, dass die 14-tägige Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt.
Es bleibt abzuwarten, ob sich andere Gericht dieser Auffassung anschließen werden.
7. Fehlen von Pflichtangaben zu den Widerrufsfolgen (in Verträgen der DSL-Bank)
In zahlreichen Verträgen insbesondere der DSL-Bank im Zeitraum von 2010 bis 2015 fehlen folgende Pflichtangaben:
Pflichtangaben zu den Widerrufsfolgen gem. Art 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 EGBGB;
d. h. Hinweis darauf dass als Folge des Widerrufs ein bereits ausbezahltes Darlehen zurückzuzahlen ist und Zinsen zu vergüten sind sowie Angabe des pro Tag zu zahlenden Zinsbetrages.
Derartige Unterlassungen haben zur Konsequenz, dass die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt wird. Vgl. das einschlägige Urteil des Landgerichts Bonn vom 11.07.2017 – 17 O 402/16.
8.Fehlende Angaben zu Zusatzleistungen, insbesondere der Pflicht zum Abschluss einer Gebäudeversicherung
Obliegt dem Darlehensnehmer gegenüber der Bank die Obliegenheit zum Abschluss einer Gebäudeversicherung, die etwa durch die AGB der Bank begründet werden kann, so muss gemäß Art. 247 §§ 8, 9 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 EGBGB a.F. ein ausdrücklicher Hinweis auf eine solche Verpflichtung auch in der eigentlichen Vertragsurkunde selbst enthalten sein. Das Fehlen dieser gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtangabe führt dazu, dass die Widerrufsfrist nicht zu Laufen beginnt und deshalb solche Darlehensverträge auch nach Jahren noch widerrufen werden können. Deshalb sah sich in zwei einschlägigen Gerichtsverfahren vor dem LG Freiburg bzw. dem LG Karlsruhe die BB-Bank aufgrund einer dementsprechenden richterlichen Einschätzung genötigt, Vergleichen zu Gunsten der Darlehensnehmers zuzustimmen. Mittlerweise ist eine gleichlautende Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 30.06.2017 (I – U 244/ 16 Rz. 57/58) bekannt geworden, auf die sich betroffene Darlehensnehmer mit guten Erfolgschancen berufen können, Abweichende Gerichtsurteile zu dieser Fallkonstellation zu Gunsten der Banken sind bislang nicht bekannt.
Diese Ausführungen gelten sinngemäß auch für anderweitige Zusatzleistungen, zu denen sich der Immobiliardarlehensnehmer gegenüber der Bank verpflichtet, insbesondere die Verpflichtung zum Abschluss anderer Versicherungen, eines Kontoführungsvertrages oder des Erwerbes von Genossenschaftsanteilen. Fehlen solche Angaben im Darlehensvertrag, begründet sich daraus ein Widerrufsrecht.
In der Widerrufsinformation finden sich „Besondere Hinweise“ und/oder erweiterte Belehrungen in den Widerrufsfolgen über „verbundene Geschäfte“ oder „angegebene Geschäfte“, obwohl solche Geschäfte nicht vorliegen (regelmäßig liegen solche Geschäfte, insbesondere Verbundgeschäfte, nicht vor). Solche Sammelbelehrungen, die für Altverträge noch erlaubt gewesen sind, sind für Verträge, die ab dem 30.07.2010 geschlossen wurden, aufgrund einer Gesetzesänderung nicht mehr zulässig und begründen die Fehlerhaftigkeit der erteilten Widerrufsinformation (vgl. BGH, Beschluss vom 24.01.2017 – XI ZR 66/16; BGH, Urteil vom 21.02.2017 – XI ZR 467/15; OLG München, Urteil vom 09.11.2017 – 14 U 465/17)
10. Verwendung eines nicht mehr
gültigen Vertragsformulars
- Spardabank +
Commerzbank
Die Spardabank Baden-Württemberg sowie die Commerzbank haben in Darlehensverträgen mit Abschlusszeitpunkt nach dem 10.06.2010 versehentlich ein für einen vorhergehenden Zeitraum gültiges Formular für die Widerrufsbelehrung verwandt.
Textauszug:
Widerrufsbelehrung für Verbraucherdarlehensverträge
Widerrufsrecht
Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen (einem Monat)1 ohne Angaben von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag nachdem Ihnen
- ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung und
- die Vertragsurkunde, Ihr schriftlicher Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder Ihres Vertragsantrags
zur Verfügung gestellt wurden. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
Der Widerruf ist zu richten an:
Dementsprechend dürften sich in zahlreichen Parallelfällen gute Erfolgsaussichten für die betroffenen Darlehensnehmer eröffnen.
11. Neue Widerrufsoption für
Fernabsatz-Immobiliendarlehensverträge aus dem Zeitraum 02.11.2002
- 10.06.2010
Das OLG Köln hat durch ein Urteil vom 17. 09. 2019 (I - 4 U 109/18) eine neue Widerrufsoption für Kreditverträge abgeschlossen im Zeitraum vom 02.11.2002 bis zum 10. 06. 2010 eröffnet. Entscheidende Voraussetzung: der Darlehensvertrag ist als sogenanntes Fernabsatzgeschäft abgeschlossen worden. Ein solches Fernabsatzgeschäft liegt dann vor, wenn der Kunde den Darlehensvertrag geschlossen hat, ohne eine Filiale der Bank aufzusuchen, also wenn der Vertragsabschluss ausschließlich auf dem Postweg, per Fax oder per Internet erfolgt ist. Dies ist bei Darlehensverträgen der DSL und auch der INGDIBA sowie der DKB der absolute Regelfall.
Hat die Bank bei Fernabsatzgeschäften die Vorgaben der seinerzeit gültigen BGB-Informationspflichten-Verordnung (BGB-InfoVO) nicht erfüllt, können derartige Darlehensverträge auch noch heutzutage widerrufen werden. Für diese Konstellation gilt der vom Gesetzgeber zum 21.06 2016 verfügte Ausschluss des Widerrufes für Altdarlehensverträge aus dem Zeitraum von 2002 bis Juni 2010 nämlich nicht. Der Ausschluss des Widerrufsrechtes gem. Art. 229 § 38 Abs. 3 EGBGB greift vielmehr nur in Fällen, in denen eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung erteilt worden ist.
Einen relevanten Verstoß gegen die BGB-Informationspflichten-Verordnung hat das erwähnte Urteil des OLG Köln nunmehr für einen 2007 abgeschlossenen Darlehensvertrag der DSL-Bank festgestellt. Eine Regelung in der BGB-Informationspflichten-Verordnung sah nämlich vor, dass die Informationen über die vertraglichen Kündigungsregeln in einer hervorgehobenen und deutlich gestalteten Form mitzuteilen sind. Diese Verpflichtung hat die DSL verletzt, weil sie die diesbezügliche Information zwar in ihren „Finanzierungsbedingungen“ erteilt hat, nicht aber in der gesetzlich vorgeschriebenen Form. Dieser Formfehler hat zur Folge, dass die 14-tägige Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt worden ist und der Darlehensvertrag deshalb auch noch im Jahre 2016 widerrufen werden konnte.
Das aktuelle Urteil des OLG Köln bietet somit zahlreichen Kunden insbesondere der DSL, die einen Immobiliendarlehensvertrag im Zeitraum von 2002 bis zum 10.06.2010 im Wege des Fernabsatzgeschäftes abgeschlossen haben, die Möglichkeit, sich nachträglich von ihrem Darlehensvertrag zu lösen.
Aktuelle Rechtsprechung zu zentralen
Fragen der Wahrnehmung des
Widerrufrechtes
Verwirkung/unzulässige Rechtsausübung bei laufenden Verträgen nur in Ausnahmefällen
Die lange erwartete Klärung dieser Streitfrage ist mit zwei Urteilen des BGH vom 12.07.2016 (XI ZR 501/15; XI ZR 564/15) erfolgt. Quintessenz: den Banken wird mit ihrer flächendeckenden Berufung auf den Eintritt der Verwirkung bzw. die Rechtsfigur der unzulässigen Rechtsausübung im Regelfall kein Erfolg mehr vor den Gerichten beschieden sein. Der Anwendungsbereich dieser Rechtsinstitute beschränkt sich laut BGH vielmehr auf atypische Ausnahmefälle, deren Voraussetzungen bei Standardkonstellationen des Widerrufes von Darlehensverträgen nicht vorliegen. Die bislang abweichende Rechtsprechung einiger, insbesondere norddeutscher, Oberlandesgerichte ist mit den BGH-Urteilen zur Makulatur erklärt worden. Die wirtschaftlichen Motive des Darlehensnehmers bei der Ausübung des Widerrufs, der Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Widerruf oder die jahrlange anstandslose Bedienung des Kredites - alle diese von den Banken ins Feld geführten Argumente spielen zukünftig keine Rolle mehr für die rechtliche Beurteilung.
Verwirkung bei beendeten Darlehensverträgen
Lediglich beim Widerruf bereits beendeter Darlehensverträge kommt der Verwirkungseinwand der Banken in zunehmendem Maße zur Geltung. So hat der BGH in einer Entscheidung vom 23.01.2018 (XI ZR 298/17) in Fällen, in denen vorzeitig auf Wunsch des Darlehensnehmers der Kredit abgelöst wird und die Bank die Sicherheiten freigibt, die Linie vieler Instanzgerichte, die bei dieser Konstellation Verwirkung annehmen, bestätigt. Auch hier sollte eine Anspruchserhebung nur bei Bestehen einer eintrittspflichtigen Rechtsschutzversicherung erfolgen.
Gegenstandswert bei Klagen auf Feststellung der Wirksamkeit
des Widerrufs
Als Gegenstandswert ist gemäß der Entscheidung des BGH vom 12.01.2016 (XI ZR 366/15) zum Streitwert in sogen. Widerrufsfällen die Summe der vom Darlehensnehmer bis zur Erklärung des Widerrufs erbrachten Leistungen auf den Darlehensvertrag (Zins + Tilgung) zugrunde zu legen. Bislang hatten sich die meisten Gerichte an der Restdarlehenshöhe orientiert. Durch die neue Rechtsprechung zum Streitwert ist in der Regel eine Reduzierung des maßgeblichen Gegenstandswertes um ca. 2/3 eingetreten und hat sich damit das Prozesskostenrisiko der Darlehensnehmer erheblich verringert.
Rechtliche Handlungsperspektiven des
Darlehensnehmers
Der Widerruf des Kreditvertrages ist freilich alles andere als ein Selbstläufer. Die erfolgreiche Geltendmachung des Widerrufsrechts setzt vielmehr eine hieb- und stichfeste rechtliche Begründung voraus, die von einem fachlich versierten Anwalt verfasst werden sollte. Denn inzwischen gibt es eine umfangreiche differenzierte Rechtsprechung zu diesem Themenkreis, bei der die Umstände des jeweiligen Einzelfalles ein große Rolle spielen. Welche von den Banken verwendeten Klauseln in Widerrufsbelehrungen im Einzeln den rechtlichen Anforderungen entsprechen, ist teilweise umstritten. Die gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Belehrung haben im Laufe der letzten 10 Jahre mehrfache Änderungen erfahren.Der Teufel steckt also auch hier im juristischen Detail.
Nach unseren Erfahrungen lenken die Banken jedoch bei einer rechtlich fundierten Begründung des Widerrufs in aller Regel ein. Mit anwaltlicher Hilfe können in vielen Fällen Vereinbarungen über eine Anpassung der Zinskonditionen bzw. über eine Reduzierung der Vorfälligkeitsentschädigung getroffen werden, ohne dass eine gerichtliche Auseinandersetzung um die Wirksamkeit des Widerrufes geführt werden muss.
Unser Angebot für Sie:
Wir prüfen bundesweit im Wege einer kostenlosen Erstberatung Ihren Immobiliendarlehensvertrag im Hinblick auf einen möglichen Widerruf. Dies gilt aber grundsätzlich nur noch für solche Verträge, die ab dem 11.06.2010 abgeschlossen worden sind.
Bei Altverträgen im
Abschlusszeitraum von November 2002 bis zum 10.06.2010 hingegen ist
das Widerrufsrecht aufgrund einer gesetzlichen Neuregelung am
21.06.2016 erloschen in allen Fällen, in denen eine
fehlerhafte Widerrufsbelehrung erfolgt ist. Wir
bitten also, von der Übersendung solcher Altverträge Abstand zu
nehmen. Es sei denn, der Widerruf ist noch rechtzeitig vor dem
Stichtag 21.06.2016 (vorsorglich) vom Darlehensnehmer gegenüber der
Bank erklärt worden oder aber der Widerruf des Altvertrages
insbesondere mit der DSL-Bank soll auf die Nichterfüllung von
Informationspflichten nach der BGB-InfoVO gestützt werden. (s.
Erläuterungen unter Nr. 11 der Fehlerliste)
Sollte die Prüfung ergeben, dass hinreichende Erfolgsaussichten für einen Widerruf bestehen, übernehmen wir anschließend gerne Ihre anwaltliche Vertretung gegenüber der Bank.
Die Kosten für die anwaltliche Ausübung Ihres Widerrufsrechts und die außergerichtliche Vertretung gegenüber der Bank fallen in der Regel gegenüber dem bestehenden Zinseinsparpotenzial nicht ins Gewicht. Gerne geben wir Ihnen hierfür auf Anfrage eine detaillierte Kosteninformation.
Falls Sie über eine Rechtsschutzversicherung verfügen, klären wir für Sie die Kostenübernahme. In der Regel sind die Rechtsschutzversicherungen aber erst eintrittspflichtig, sobald die Bank die Anerkennung der Widerrufs abgelehnt hat.
Betroffene Darlehensnehmer werden ausdrücklich
davor gewarnt, auf eigene Faust den Widerruf gegenüber ihrer Bank
zu erklären. In aller Regel nämlich pflegen die Banken derartige
Versuche mit standardisierten Ablehnungsschreiben ins Leere laufen
zu lassen. Darüber hinaus bergen derartige Laieninitiativen die
große Gefahr, dass dadurch vielfach irreparable Fehler begangen
werden, die später auch mit anwaltlicher Unterstützung nicht mehr
behoben werden können. Davon ist dringend abzuraten, zumal von
vielen Kanzleien so auch von uns die Möglichkeit angeboten wird,
die außergerichtliche Vertretung gegenüber der
Bank auf der Basis einer Erfolgshonorarvergütung
zu übernehmen.
Sie können uns einfach und unbürokratisch unter Angabe Ihrer Kontaktdaten die entsprechenden Darlehensverträge am besten als PDF-Datei per E-Mail an ra-dr-kroells@email.de oder per Fax an 03212-1023458 bzw. 040-880 981 55 mit der Bitte um Prüfung zusenden. Hierdurch entstehen Ihnen keinerlei Kosten. Die gegenwärtige Bearbeitungsdauer für eine kostenfreie Vorprüfung beträgt 48 Stunden.