Widerruf
Immobilienkreditverträge
Widerruf von
Immobiliendarlehen
Aktueller Stand der Rechtsprechung zum "Widerrufsjoker" (18.02.2021)
Das Widerrufsrecht für Altverträge, die im
Zeitraum von 2002 bis zum 10.06.2010 abgeschlossen wurden, ist am
21.06.2016 - bis auf wenige Ausnahmen - erloschen. Für
Darlehensverträge mit Abschlusszeitpunkt ab dem 21.03.2016 erlischt
das Widerrufsrecht spätestens 1 Jahr und 14 Tage nach
Vertragsschluss, auch wenn die Widerrufsinformation fehlerhaft ist
oder Angaben hierzu im Vertrag fehlerhaft sind oder ganz
unterblieben sind.
Darlehensverträge mit Abschlusszeitpunkt im Zeitraum vom 11.06.2010 bis 20.03.2016 werden hingegen von der gesetzlichen Neuregelung nicht erfasst. Für diese Verträge gilt deshalb weiterhin ein im Prinzip „ewiges“ Widerrufsrecht. Solche Darlehensverträge mit Abschlusszeitpunkt ab dem 11.06.2010 weisen eine erhebliche Fehlerquote auf.
Die Entdeckung zahlreicher neuer
Widerrufssachverhalte bei Darlehensverträgen aus diesem Zeitraum
hat dazu geführt, dass der „Widerrufsjoker“ als rechtlicher Hebel
für Darlehensnehmer, sich aus der rechtlichen Bindung an
Darlehensverträge aus Hochzinszeiten zu befreien, weiterhin von
hoher Aktualität ist.
Dies gilt freilich nur sehr bedingt für die
sogen. Kaskadenverweisung, die der EuGH in einem
vielbeachteten Urteil vom 26.03.2020 als unzulässigen Verstoß gegen
die Europäische Verbraucherschutzrichtlinie gewertet hatte.
Das Urteil des EuGH hatte der BGH nur wenige Tage später mit zwei
einschlägigen Entscheidungen ins Leere laufen lassen. Der Vorrang,
den der BGH dort der nationalen Rechtsprechung vor den Vorgaben der
Europäischen Verbraucherschutzrichtlinie einrämut, muss freilich
nicht unbedingt das letzte Wort in dieser Sache gewesen sein.
Vgl. dazu die Ausführungen in meinem Anwaltstipp bei
anwalt.de vom 27.04.2020 "BGH bremst EuGH-Urteil
aus."
Die einschlägigen Fehler in Darlehensverträgen, auf denen die aktuell aussichtsreichen Widerrufsmöglichkeiten beruhen, dokumentiert der folgende Überblick:
1. Das Schlüsselwort in der Widerrufsinformation: die "zuständige Aufsichtsbehörde“
Auf Grundlage des BGH-Urteils vom 22. November 2016 – XI ZR 434/15 - ist eine höchst positive Entwicklung zu Gunsten der Darlehennehmer mit Neuverträgen im Abschlusszeitraum vom 11.06.2010 bis 21.03.2016 eingetreten, in deren Widerrufsbelehrung der Beginn des Fristenlaufes davon abhängig gemacht wird, dass der Darlehensnehmer über die für die Bank zuständige Aufsichtsbehörde (in der Regel "Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)" informiert worden ist. Die fragliche Widerrufsbelehrung sieht wie folgt aus:
Widerrufsinformation
Widerrufsrecht
Der Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer die Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z. B. Angabe des effektiven Jahreszinses, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrages, Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde) erhalten hat. (…)
Der Darlehensnehmer hat alle Pflichtangaben erhalten, wenn sie in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung seines Antrags oder in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung der Vertragsurkunde oder in einer für den Darlehensnehmer bestimmten Abschrift des Antrags oder der Vertragsurkunde enthalten sind und dem Darlehensnehmer eine solche Unterlage zur Verfügung gestellt worden ist. Über in den Vertragstext nicht aufgenommene Pflichtangaben kann der Darlehensnehmer nachträglich in Textform informiert werden, die Widerrufsfrist beträgt dann einen Monat. Der Darlehensnehmer ist mit den nachgeholten Pflichtangaben nochmals auf den Beginn der Widerrufsfrist hinzuweisen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an (…)
Aufgrund der erwähnten BGH-Entscheidung (bestätigt durch Urteil vom 04.07.2017 - BGH IX ZR 741/16) hängt die Frage der Widerrufbarkeit derartiger Darlehensverträge entscheidend davon ab, ob das Kreditinstitut im Rahmen des individuellen Vertrages die zuständige Aufsichtsbehörde mit deren Anschrift tatsächlich genannt hat. Hat die Bank diese Angabe unterlassen, hat dies zur Konsequenz, dass die 14-Tagefrist nicht in Gang gesetzt worden ist und der Darlehensvertrag auch noch zum jetzigen Zeitpunkt im Prinzip ohne Befristung widerrufen werden kann.
Für die Wirksamkeit der Unterrichtung ist ausreichend, wenn die Angabe der vermeintlichen Pflichtangabe der zuständigen Aufsichtsbehörde im Rahmen der dem Vertrag (als Anlage) beigefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) erfolgt, nicht jedoch die Angabe im „Europäischen Standardisierten Merkblatt" (ESM). (so OLG Frankfurt, Urteil vom 11.04.2017 - 25 U 110/16; OLG Karlsruhe, Urteil v. 14.03.2017 – 17 U 204/15)
Insbesondere die Sparkassen haben das entsprechende Formular bundesweit flächendeckend verwandt. In den von unserer Kanzlei geprüften Verträgen konnte bislang in keinem einzigen Fall im Rahmen des eigentlichen Vertragstextes oder der AGB der erforderliche Hinweis auf die zuständige Aufsichtsbehörde aufgefunden werden. Dieser Sachverhalt eröffnet sehr gute Aussichten, mit Unterstützung eines Fachanwaltes mit den betroffenen Kreditinstituten außergerichtliche Verhandlungen mit dem Ziel einer Neukonditionierung derartiger Darlehensverträge aufzunehmen.
Dies gilt bundesweit insbesondere für die
Darlehensverträge der Sparkassen, insbesondere der
Hamburger Sparkasse aber auch zahlreicher
Sparkassen im Hamburger Umland und im norddeutschen Raum wie bspw.
der Sparkasse Harburg-Buxtehude, Kreissparkasse Herzogtum
Lauenburg, der Sparkasse Hannover sowie
der Hannoverschen Volksbank, ferner auch Swiss-Life,
BHW-Bausparkasse, Kreissparkasse Köln und R + V Versicherung,
Sparkasse Neuwied, Sparkasse Siegen. Die genannten
Institute haben insbesondere in den Jahren 2010 bis 2013 vielfach
derartige widerrufbarer Darlehensverträge abgeschlossen. Gleiches
gilt für Darlehensverträge der Deutschen Bank Privat- und
Geschäftskunden AG und der
DSL.
In letzter Zeit sind in derartigen Konstellationen unter Bezugnahme auf das BGH-Grundsatzurteil insbesondere vor dem Hamburger Landgericht mehrere einschlägige Urteile gegen die Hamburger Sparkasse ergangen (LG Hamburg, Urteil v. 26.07.2017 - 331 O 420/16, LG Hamburg, Urteil v. 25.10.2107 - 325 O 345/16), ebenso gegen die Sparkasse Harburg- Buxtehude (LG Hamburg 303 O 109/17).
Fiktive Nachholung der
Pflichtangabe "Aufsichtsbehörde" auf
(Jahres)Kontoauszug
Einzelne Sparkassen wie etwa die Hamburger Sparkasse haben den untauglichen Versuch unternommen, „klammheimlich“ die unterlassene Angabe der Aufsichtsbehörde nachzuholen, indem sie diese Angabe kommentarlos auf Kontoauszügen der Darlehensnehmer platzieren. Dieser Versuch, eine rechtswirksame Nachholung zu fingieren, ist bereits im Ansatz zum Scheitern verurteilt. Denn die Widerrufsfrist wird gem. § 492 Abs. 6, S. 4 BGB nur unter der Voraussetzung in Gang gesetzt, dass gleichzeitig über die in diesen Fällen maßgebliche neue Widerrufsfrist von einem Monat nach Erhalt der nachgeholten Angaben aufgeklärt wird. Die HASPA hat vor einigen Monaten nicht unerwartet im Rahmen eines von unserer Kanzlei eingeleiteten Schlichtungsverfahrens bei der Schlichtungsstelle des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes in einem derartigen Falle eingelenkt und ihre Bereitschaft bekundet, den streitgegenständlichen Kreditvertrag auf der Grundlage des aktuellen Zinsniveaus umzuschulden. In einem weiteren von uns durchgeführten Schlichtungsverfahren ist eine positive Entscheidung zugunsten der betroffenen Darlehensnehmer ergangen. Der Schlichterspruch vom 01.09.2017 (Az.: 1160/2017 – M116) ist der von uns vertretenen Rechtsauffassung gefolgt und hat die Nachholung der Angabe der zuständigen Aufsichtsbehörde wegen des fehlenden Hinweises auf die einmonatige Widerrufsfrist für die Nachinformation für unwirksam erklärt.
Nunmehr ist das lange erwartete erste einschlägige Urteil gegen die HASPA ergangen: LG Hamburg, Urteil vom 23.04.2018 – 318 O 341/17. Damit dürfte der Weg endgültig frei sein, auch ohne Absicherung durch eine Rechtsschutzversicherung bei einer solchen Konstellation einen Widerruf durchzusetzen. Die HASPA verschließt sich jedenfalls nach unseren Erfahrungen nicht länger gegenüber anwaltlich vertretenen Darlehensnehmern der Aufnahme von Vergleichsverhandlungen.
Die „zuständige Aufsichtsbehörde“ bei ING-DiBa und Münchener Hypo-Bank
Eine besonders erfolgsträchtige Variante dieser Widerrufsbelehrung beinhalten die im fraglichen Zeitraum von der ING-DiBa abgeschlossenen Immobiliendarlehensverträge.
Bei der beispielhaften Auflistung von Pflichtangaben, die die Bank gegenüber dem Darlehensnehmer erfüllen muss, damit die Widerrufsfrist zu laufen beginnt, nennt die ING-DiBa unter anderem die „für den Darlehensnehmer zuständige Aufsichtsbehörde“. Unabhängig davon, dass die für den Darlehensnehmer zuständige Aufsichtsbehörde keine Pflichtangabe bei Immobiliendarlehensverträgen darstellt, existiert eine solche für den Darlehensnehmer zuständige Aufsichtsbehörde nicht. Vielmehr gibt es nur eine für die Banken zuständige Aufsichtsbehörde. Somit ist der ING-DiBa die Benennung einer solchen Aufsichtsbehörde, die für den Beginn des Fristlaufs laut Belehrungstext zwingend erforderlich ist, überhaupt nicht möglich. Rechtsfolge: Die Widerrufsfrist für den Darlehensnehmer beginnt zu keinem Zeitpunkt.
Dasselbe Formular hat nach einem Bericht der IG Widerruf im fraglichen Zeitraum von Juni 2010 bis 2011 auch die Münchener Hypothekenbank verwendet.
2. Unzureichende Angabe zum Adressaten
des Widerrufs: Postfach statt ladungsfähiger
Anschrift
Das KG Berlin hat in einem
Hinweisbeschluss vom 04.03.2019 (8 U 74/17) entschieden, dass
die Angabe einer Postfach-Anschrift in der Widerrufsbelehrung
unzureichend ist und die Widerrufsfrist nicht in Gang setzt. Eine
Postfach-Anschrift ist keine ladungsfähige Anschrift. Vielmehr ist
die Angabe einer (Haus)anschrift mit Straße, Hausnummer und
Postleitzahl erforderlich.
Der Beschluss ist in einem Verfahren ergangen, das einen Darlehensvertrag der DKB-Bank aus dem Jahre 2011 betraf. Derselbe Fehler findet sich auch in zahlreichen Verträgen der DSL Bank, der Commerzbank und einer Reihe von Sparkassen.
Wie kürzlich bekannt geworden ist, hat ein
anderer Senat des KG Berlin in einem Hinweisbeschluss vom
30.04.2019 (4 U 195/16) die gegenteilige
Rechtsauffassung vertreten.Gleichwohl macht ein Widerruf auch
ohne über eine eintrittspflichtige Rechtsschutzversicherung zu
verfügen, durchaus Sinn. Nach den uns vorliegenden Informationen
lässt sich die DKB bei anwaltlich vertretenen
Darlehensnehmern auf außergerichtliche
Vergleichsverhandlungen ein und bietet bei noch laufenden Verträgen
eine Umschuldung mit einem reduzierten Zinssatz
an.
Für rechtsschutzversicherte Darlehensnehmer folgender Hinweis: Bei streitiger Rechtslage ist Versicherungsschutz zu gewähren, wenn eine gleichrangige Erfolgswahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Versicherungsnehmer in einem Prozess mit seinem Rechtsstandpunkt obsiegen wird. Diese Voraussetzung ist hier gegeben, wenn wie hier zwei Senate eines Oberlandesgerichts zu der relevanten Streitfrage eine gegenteilige Auffassung vertreten.
3. Bindung des Fristlaufes an die Bedingung der Erfüllung der Pflichten gem. § 312 g BGB a.F.
Die Entscheidung des BGH vom 04.06.2019 (Az. XI ZR 331/17) hat für viele Darlehensnehmer eine neue Möglichkeit eröffnet, ihre ab dem 11.06.2010 abgeschlossenen Kreditverträge zu widerrufen. Dies betrifft Fälle, in denen die Bank im Rahmen der Widerrufsinformation den Beginn der Widerrufsfrist davon abhängig gemacht hat, dass der Darlehensgeber „seine Pflichten aus § 312g Absatz 1 Satz 1 BGB (…) erfüllt hat.“
§ 312g BGB a. F. Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr |
(1) Bedient sich ein Unternehmer zum Zwecke des Abschlusses eines Vertrags über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen der Telemedien (Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr), hat er dem Kunden
|
Dieser Passus gilt allerdings nur auf Geschäfte,
die im elektronischen Geschäftsverkehr geschlossen werden. Ein
Vertragsabschluss auf dem Wege des "elektronischen
Geschäftsverkehrs" liegt nur dann vor, wenn das Geschäft
ausschließlich online geschlossen wird. Dies
allerdings kommt bei Immobilienkreditverträgen so gut wie niemals
vor. Obwohl seit Juni 2010 die rechtliche Möglichkeit besteht, auch
Darlehensverträge im elektronischen Geschäftsverkehr zu schließen,
werden in aller Regel Immobiliardarlehensverträge nach wie vor im
Wege der eigenhändigen Unterzeichnung der Vertragsurkunde durch die
Vertragsparteien insbesondere den Darlehensnehmer abgeschlossen.
Die eigenhändige Unterzeichnung auch nur eines Vertragspartners
jedoch hat zur Folge, dass der Vertrag nicht unter die Vorschriften
des elektronischen Geschäftsverkehrs fällt.
Dementsprechend hat der BGH in der erwähnten Entscheidung die Verwendung einer derartigen Klausel im Rahmen der Widerrufsinformation eines nicht im elektronischen Geschäftsverkehr abgeschlossenen Immobiliendarlehensvertrags als Widerspruch zur maßgeblichen Rechtslage erklärt. Der Umstand, dass der Beginn der Widerrufsfrist an die Erfüllung einer Bedingung gebunden wurde, die mangels des Vorliegens eines im elektronischen Geschäftsverkehrs abgeschlossenen Vertrages objektiv gar nicht erfüllbar ist, hat zur Konsequenz, dass die 14-tägige Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt wurde und somit derartige Darlehensverträge auch zum jetzigen Zeitpunkt noch widerrufbar sind. Entweder, weil der fragliche Passus die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsinformation begründet oder aber die Nichterfüllung dieser vom Darlehensgeber selbstauferlegten nichterfüllbaren Verpflichtung dazu führt, dass die Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt wird.
Nach den uns vorliegenden Informationen betrifft dies insbesondere Kreditverträge der Genossenschaftsbanken (Sparda-Banken, Volks- und Raiffeisenbanken, PSD-Banken)
Vor dem Hintergrund des auf ein historisches Rekordtief gesunkenen Immobilienzinsniveaus beinhaltet die Entscheidung des BGH ein enormes Sparpotenzial für Verbraucher. Denn sie können mit einem erfolgreichen Widerruf aus einem laufenden teuren Darlehen aussteigen und einen neuen Immobilienkredit zu Zinsen von teilweise unter einem Prozent abschließen oder aber bei vorzeitiger Ablösung des Kredites (im Falle eines Verkaufs der Immobilie) die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung vermeiden.
4. Fehlende Erteilung der vermeintlichen Pflichtangabe „Einhaltung des Kündigungsverfahrens“
Dasselbe gilt, wenn das Kreditinstitut in der Widerrufsinformation den Fristbeginn von der Information über das bei der Kündigung einzuhaltende Verfahren abhängig macht, aber im Vertrag diese Information nicht oder nur unzureichend erteilt, beispielsweise wenn nur über die Kündigungsrechte der Bank nicht aber die Kündigungsrechte des Darlehensnehmers informiert wird (so in Verträgen der Nordrheinischen Ärzteversorgung)
5. Fehlende Angabe von Anzahl und Fälligkeitszeitpunkt der (monatlichen) Darlehensraten
Diese
Angabe ist eine Pflichtangabe gem. Art. 247 EGBGB
a. F. § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1, §
3 Abs. 1, Nr. 7. Die Konsequenz bei Fehlen von
Pflichtangaben: Die Widerrufsfrist wird nicht in Lauf
gesetzt.
Dieser Fehler finden sich in
Verträgen einer Reihe von Kreditinstituten insbesondere der
DSL-Bank und der Bausparkasse
Mainz.
Standardbeispiel: Der Vertrag beinhaltet lediglich die Angabe, dass die Raten monatlich zu zahlen sind, ohne den genauen Zeitpunkt der Fälligkeit - bspw. am Monatsanfang oder am Monatsende - zu benennen.
6. Verzicht auf den Zugang der Annahmeerklärung der Bank in Schriftform
In zahlreichen insbesondere von der Deutschen Bank Privat- und Geschäftskunden AG im Zeitraum vom 11.06.2010 bis 20.03.2016 abgeschlossenen Darlehensverträgen findet sich im unmittelbaren Anschluss an die Widerrufsinformation folgender Passus:
"Verzicht auf den Zugang der Annahmeerklärung der Bank in Schriftform"
Dort wird dem Verbraucher eine Unterschrift abgenommen, mit der er darauf verzichtet, dass ihm die Deutsche Bank eine Ausfertigung des von ihr gegengezeichneten Darlehensvertrages zukommen lässt.
Die Musterwiderrufsinformation (Anlage 6 zu Art. 247 § 6 EGBGB in der Fassung vom 24.7.2010) sieht folgende Hinweise zu den Widerrufsfolgen vor:
In zahlreichen Verträgen insbesondere der DSL-Bank im Zeitraum von 2010 bis 2015 fehlt jedoch der Hinweis darauf, dass als Folge des Widerrufs ein bereits ausbezahltes Darlehen zurückzuzahlen ist und Zinsen zu vergüten sind oder zuweilen auch die Angabe des pro Tag zu zahlenden Zinsbetrages.
In anderen Verträgen wiederum fehlt der Passus über die Verringerung des Betrages bei nur teilweiser Inanspruchnahme des Darlehens.
Das Gleiche gilt, wenn der in der Musterwiderrufsinformation vorgesehene Hinweis über eine mögliche Reduzierung der vom Darlehensnehmer im Falle der Rückabwicklung zu entrichtenden unterlieben ist.
„Wenn der Darlehensnehmer nachweist, dass der Wert seines Gebrauchsvorteils niedriger war als der Vertragszins, muss er nur den niedrigeren Betrag zahlen. Dies kann z.B. in Betracht kommen, wenn der marktübliche Zins geringer war als der Vertragszins.“
Dies hat eine einschlägige rechtskräftige Entscheidung des Landgerichts Hamburg festgestellt, die gegen die Hamburger Volksbank ergangen ist. (LG Hamburg, Urteil vom 13.11.2015 - 329 O 174/15). Eine derartige „Auslassung“ ist insbesondere in Immobiliendarlehensverträgen der Hamburger Volksbank im Zeitraum von Juni 2010 bis März 2016 zu finden.
Derartige Unterlassungen haben zur Konsequenz, dass die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt wurde, weil die Unterlassung zur Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung führt bzw. als Nichterteilung der geschuldeten Pflichtangaben gem. Art 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 EGBGB zu werten ist. (Vgl. das einschlägige Urteil des Landgerichts Bonn vom 11.07.2017 – 17 O 402/16.)
8. Fehlende Angaben zu Zusatzleistungen, insbesondere der Pflicht zum Abschluss einer Gebäudeversicherung
Obliegt dem Darlehensnehmer gegenüber der Bank
die Obliegenheit zum Abschluss einer Gebäudeversicherung, die etwa
durch die AGB der Bank begründet werden kann, so muss gemäß
Art. 247 §§ 8, 9 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 EGBGB a.F. ein ausdrücklicher
Hinweis auf eine solche Verpflichtung auch in der eigentlichen
Vertragsurkunde selbst enthalten sein. Das Fehlen dieser gesetzlich
vorgeschriebenen Pflichtangabe führt dazu, dass die Widerrufsfrist
nicht zu Laufen beginnt und deshalb solche Darlehensverträge auch
nach Jahren noch widerrufen werden können. Deshalb sah sich in zwei
einschlägigen Gerichtsverfahren vor dem LG Freiburg bzw. dem LG
Karlsruhe die BB-Bank aufgrund einer dementsprechenden
richterlichen Einschätzung genötigt, Vergleichen zu Gunsten
der Darlehensnehmers zuzustimmen. Mittlerweise ist eine
gleichlautende Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 30.06.2017
(I – 17 U 244/ 16 Rz. 57/58) bekannt geworden, auf die
sich betroffene Darlehensnehmer mit guten Erfolgschancen berufen
können. Hingegen hat das OLG Frankfurt in einem Beschluss vom
21.12.2018 (23 U 82/18) die gegenteilige Auffasung vertreten. Von
daher ist zumindest für rechtsschutzversicherte Darlehennehmer der
Widerruf bei dieser Fallkonstellation eine hinreichend
erfolgversprechende Option.
Diese Ausführungen gelten sinngemäß auch für anderweitige Zusatzleistungen, zu denen sich der Immobiliardarlehensnehmer gegenüber der Bank verpflichtet, insbesondere die Verpflichtung zum Abschluss anderer Versicherungen, eines Kontoführungsvertrages oder des Erwerbes von Genossenschaftsanteilen. Fehlen solche Angaben im Darlehensvertrag, begründet sich daraus ein Widerrufsrecht.
9. Neue Widerrufsmöglichkeiten bei
verbundenen und zusammenhängenden
Immobiliendarlehensverträgen
Unzulässige Belehrungen zu verbundenen Verträgen, obwohl keine verbundenen Verträge vorliegen (Bausparverträge + Kapitallebensversicherungen)
Eine bislang kaum beachtete Fehlerquelle betrifft Immobiliendarlehensverträge, die mit anderen Verträgen kombiniert sind, ohne dass gleichzeitig ein verbundener Vertrag im Sinne des § 358 BGB vorliegt. Typische Beispielsfälle sind die Verknüpfung zwischen einem Immobiliendarlehensvertrag und einem Bausparvertrag bzw. einer Kapitallebensversicherung. Der rechtliche Ansatzpunkt für einen möglichen Widerruf besteht darin, dass bei diesen Standardkonstellationen kein „verbundener Vertrag“ im rechtstechnischen Sinn von § 358 Abs. 3 BGB vorliegt. Ein verbundener Vertrag ist nämlich nur unter der Voraussetzung gegeben, dass der Darlehensvertrag zur Finanzierung des Bausparvertrages dient, aber nicht umgekehrt. Dient wie in der Regel die Ansparung aus dem Bausparvertrag dazu, das Darlehen zu einem späteren Zeitpunkt zu tilgen, liegt kein verbundener Vertrag gemäß § 358 BGB vor. Dasselbe gilt für Kapitallebensversicherungsverträge, mit deren Auszahlung das Immobiliendarlehen getilgt werden soll. (BGH Urteil vom 05.05 2015 –XI ZR 406/13).
Eine Reihe von Kreditinstituten aber verwendet auch bei diesen Konstellationen (Darlehensvertrag + Bausparvertrag oder Kapitallebensversicherung) im Rahmen der Widerrufsinformation Textbausteine für Verbundgeschäfte, auch wenn ein solches gar nicht vorliegt und belehrt darin den Darlehensnehmer, dass dieser im Falle des wirksamen Widerrufs des Darlehensvertrags auch nicht mehr an den mit dem Darlehensvertrag verbundenen Vertrag gebunden sei. Und umgekehrt, dass der Widerruf des verbundenen Vertrages die Bindung an den Darlehensvertrag entfallen lässt.
Solche Sammelbelehrungen, die für Altverträge noch erlaubt gewesen sind, sind wegen ihres irreführenden Charakters für Verträge, die ab dem 30.07.2010 geschlossen wurden, aufgrund einer Gesetzesänderung jedoch nicht mehr zulässig und begründen die Fehlerhaftigkeit der erteilten Widerrufsinformation. Dies geht aus zwei einschlägigen Entscheidungen des BGH hervor (vgl. BGH, Beschluss vom 24.01.2017 – XI ZR 66/16; BGH, Urteil vom 21.02.2017 – XI ZR 467/15) und wird durch zahlreiche Entscheidungen der Instanzgerichte bestätigt (bspw. OLG München, Urteil vom 09.11.2017 – 14 U 465/17; LG Stuttgart - Urteil vom 06.12.2018 – 25 O 152/18).
Fehlerhafte Belehrungen bei verbundenen Verträgen
Natürlich gibt es auch den umgekehrten Fall, dass tatsächlich ein verbundener Vertrag vorliegt wie im Standardbeispiel der mit einem Immobiliendarlehensvertrag verknüpften Restschuldversicherung (BGH Urteile vom 15.12.2009 – XI ZR 45/09 und 18.01.2011 - XI ZR 356/09). Wird hierauf in den Widerrufsinformationen nicht hingewiesen oder aber statt des Textbausteins zu den verbundenen Verträgen derjenige zu den sogen. „zusammenhängenden Verträgen“ benutzt, führt dies ebenfalls zur Widerrufbarkeit des Darlehensvertrages.
Nach einer jüngst veröffentlichten Entscheidung des BGH vom 10.11.2020 (XI ZR 426/19) entfällt die Schutzwirkung der Verwendung der amtlichen Musterbelehrung, falls im Muster vorgesehene "Zwischenüberschriften" insbesondere düe Überschriften "Besonderheiten bei weiteren Verträgen" bzw. "Einwendungen bei verbundenen Veträgen" in der Widerrufsinformation weggelassen worden sind.
Belehrungsfehler/Informationspflichtverletzungen bei zusammenhängenden Darlehensverträgen
Unter solchen sind gemäß § 360 BGB n. F.
Verträge zu verstehen, die zwar im Zusammenhang mit dem
Darlehensvertrag abgeschlossen werden, aber nicht gleichzeitig den
Charakter eines verbundenen Geschäftes im Sinne des § 358 BGB
besitzen, insbesondere Darlehensverträge mit Zusatzleistungen gemäß
§ 359 Abs. 2 BGB a. F. bzw. § 360 Abs. 2 BGB n. F.. Darunter fallen
etwa Versicherungen, zu deren Abschluss der Darlehensnehmer sich
gegenüber der Bank verpflichtet (Gebäudeversicherung),
Kontoführungs- oder Kreditkartenverträge oder die Verpflichtung des
Darlehensnehmers zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen, aber auch
Bausparverträge und Kapital- oder
Risikolebensversicherungen.
Liegen solche zusammenhängenden Verträge (über
Zusatzleistungen) vor, kann die Bank entsprechende
Hinweise über die Widerrufsfolgen in die Widerrufsinformationen
einfügen, muss dies aber nicht. Diese Angaben sind insbesondere
dann fehlerhaft, wenn sie in den Widerrufsinformationen enthalten
sind, aber überhaupt kein solcher Nebenvertrag über
Zusatzleistungen abgeschlossen wurde. Dies gilt entsprechend, wenn
ein Rechtsfolgenhinweis bezüglich des Widerrufs einer vom
Darlehensgeber finanzierten Zusatzleistung eingefügt wird,
der Darlehensnehmer aber wie üblicherweise die Zusatzleistung
wie bspw. eine Lebensversicherung durch Entrichtung der
Versicherungsprämien selber finanziert. Dieser Fehler findet sich
insbesondere in Darlehensverträgen der Sparda Bank
Baden-Württemberg und der PSD-Bank Nord. Fehlerhaft ist die
Widerrufsinformation auch dann, wenn es versäumt wird, die
vereinbarten Zusatzleistungen (Gebäuderversicherung, Führung eines
Kontos, Lebensversicherung etc .) im Rahmen der
Widerrufsinformation in dem dafür vorgesehenen Feld zu
bezeichnen. (so in Darlehensverträgen der Sparda-Bank
Südwest).
Fehlende Pflichtangaben bei
Darlehensverträgen mit Zusatzleistungen mit vermögensbildendem
Charakter gem. Art. 247 § 8 EGBGB
Gemäß Art. 247 §§ 8 Abs. 3 S. 2, 9 Abs. 1 S. 1
EGBGB gilt für Immobiliendarlehensverträge, die mit obligatorischen
Zusatzleistungen mit vermögensbildendem Charakter verknüpft sind
(insbesondere mit Bausparverträgen oder Lebensversicherungen, die
als Tilgungsersatzinstrumente dienen) folgende Informationspflicht
gem. § 492 Abs. 2 BGB, deren Nichteinhaltung zum Nichtbeginn der
Widerrufsfrist führt:
„Verpflichtet sich der Darlehensnehmer mit
dem Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags auch zur
Vermögensbildung, muss aus der vorvertraglichen Information und aus
dem Verbraucherdarlehensvertrag klar und verständlich hervorgehen,
dass weder die während der Vertragslaufzeit fälligen
Zahlungsverpflichtungen noch die Ansprüche, die der Darlehensnehmer
aus der Vermögensbildung erwirbt, die Tilgung des Darlehens
gewährleisten, es sei denn, dies wird vertraglich
vereinbart.“
Ein solcher Hinweis ist beispielsweise in den
Darlehensverträgen der Volksbanken unter Nr.
8 „Hinweis bei Tilgungsersatzinstrumenten“ enthalten:
„Weder die während der Vertragslaufzeit fälligen Zahlungsverpflichtungen aus dem Darlehensvertrag noch die Ansprüche, die der Darlehensnehmer aus der Vermögensbildung erwirbt, gewährleisten die Tilgung des Darlehens.“
Anfechtbar hingegen erscheint die von der
Deutschen Bank Privat- und Geschäftskunden AG im Zeitraum von 2010
- 2016 in ihren Darlehensbedingungen unter Ziffer VIII 9.2. wie
folgt verankerte Klausel:
„Der Abschluss eines Vertrages zur
Vermögensbildung, mit dessen Hilfe das Darlehen zurückgeführt
werden soll, gewährleistet nicht, dass die Ansprüche , die der
Darlehensnehmer aus dem Vertrag zur Vermögensbildung erwirbt, zur
Rückzahlung ausreichen. Reichen die als Vermögen gebildeten Mittel
nicht aus, zur Zurückzahlung des Darlehens am Ende der
Vertragslaufzeit nicht aus, ist der Darlehensnehmer verpflichtet,
zusätzliche Eigenmittel zur vollständigen Rückzahlung des fälligen
Darlehensbetrages einzusetzen. Die Bank kann auch eine laufende und
ggf. erhöhte Tilgung verlangen.“
Denn diese Klausel stellt lediglich darauf ab, dass die Mittel aus der Vermögensbildung nicht zur Tilgung am Ende der Vertragslaufzeit ausreichen. Hingegen wird nicht erwähnt, dass auch die während der Vertragslaufzeit zu erbringenden Tilgungsleistungen möglicherweise nicht ausreichend sind, um eine vollständige Tilgung zu bewirken.
10. Verwendung eines nicht mehr
gültigen Vertragsformulars
- Spardabank +
Commerzbank
Die Spardabank Baden-Württemberg sowie die Commerzbank haben in Darlehensverträgen mit Abschlusszeitpunkt nach dem 10.06.2010 versehentlich ein für einen vorhergehenden Zeitraum gültiges Formular für die Widerrufsbelehrung verwandt.
Textauszug:
Widerrufsbelehrung für Verbraucherdarlehensverträge
Widerrufsrecht
Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen (einem Monat)1 ohne Angaben von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag nachdem Ihnen
- ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung und
- die Vertragsurkunde, Ihr schriftlicher Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder Ihres Vertragsantrags
zur Verfügung gestellt wurden. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
Der Widerruf ist zu richten an:
Dementsprechend dürften sich in zahlreichen Parallelfällen gute Erfolgsaussichten für die betroffenen Darlehensnehmer eröffnen.
11. Neue Widerrufsoption für
Fernabsatz-Immobiliendarlehensverträge aus dem Zeitraum 02.11.2002
- 10.06.2010
Das OLG Köln hat durch ein Urteil vom 17. 09. 2019 (I - 4 U 109/18) eine neue Widerrufsoption für Kreditverträge abgeschlossen im Zeitraum vom 02.11.2002 bis zum 10. 06. 2010 eröffnet. Entscheidende Voraussetzung: der Darlehensvertrag ist als sogenanntes Fernabsatzgeschäft abgeschlossen worden. Ein solches Fernabsatzgeschäft liegt dann vor, wenn der Kunde den Darlehensvertrag geschlossen hat, ohne eine Filiale der Bank aufzusuchen, also wenn der Vertragsabschluss ausschließlich auf dem Postweg, per Fax oder per Internet erfolgt ist. Dies ist bei Darlehensverträgen der DSL und auch der INGDIBA sowie der DKB der absolute Regelfall.
Hat die Bank bei Fernabsatzgeschäften die Vorgaben der seinerzeit gültigen BGB-Informationspflichten-Verordnung (BGB-InfoVO) nicht erfüllt, können derartige Darlehensverträge auch noch heutzutage widerrufen werden. Für diese Konstellation gilt der vom Gesetzgeber zum 21.06 2016 verfügte Ausschluss des Widerrufes für Altdarlehensverträge aus dem Zeitraum von 2002 bis Juni 2010 nämlich nicht. Der Ausschluss des Widerrufsrechtes gem. Art. 229 § 38 Abs. 3 EGBGB greift vielmehr nur in Fällen, in denen eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung erteilt worden ist.
Einen relevanten Verstoß gegen die BGB-Informationspflichten-Verordnung hat das erwähnte Urteil des OLG Köln nunmehr für einen 2007 abgeschlossenen Darlehensvertrag der DSL-Bank festgestellt. Eine Regelung in der BGB-Informationspflichten-Verordnung sah nämlich vor, dass die Informationen über die vertraglichen Kündigungsregeln in einer hervorgehobenen und deutlich gestalteten Form mitzuteilen sind. Diese Verpflichtung hat die DSL verletzt, weil sie die diesbezügliche Information zwar in ihren „Finanzierungsbedingungen“ erteilt hat, nicht aber in der gesetzlich vorgeschriebenen Form. Dieser Formfehler hat zur Folge, dass die 14-tägige Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt worden ist und der Darlehensvertrag deshalb auch noch im Jahre 2016 widerrufen werden konnte.
Das Urteil des OLG Köln bietet somit
Kunden insbesondere der DSL und der Westdeutschen Immobilienbank,
die einen Immobiliendarlehensvertrag im Zeitraum von 2002 bis zum
10.06.2010 im Wege des Fernabsatzgeschäftes abgeschlossen haben,
die Möglichkeit, sich nachträglich von ihrem Darlehensvertrag zu
lösen. Der Anwendungsbereich des Urteils des OLG Köln ist freilich
beschränkt auf noch laufende, prolongierte Altverträge. Bei bereits
beendeten Darlehensverträgen greift in aller Regel der
Verwirkungseinwand der Banken durch.
Update Dezember 2020:
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 24.11.2020 (XI ZR 463/19) die von der DSL Bank eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 17.09.2019 - I-4 U 109/18 - zurückgewiesen. Damit ist das Urteil des OLG Köln rechtskräftig.
Rückforderung der Vorfälligkeitsentschädigung ohne Widerruf
Das Urteil des OLG Frankfurt vom 01.07.2020
Eine bislang kaum beachtete erfolgsträchtige Möglichkeit für Darlehensnehmer, sich gegen Ansprüche auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung (VfE) zur Wehr zu setzen bzw. die Rückzahlung einer bereits gezahlten VfE durchzusetzen, ohne den Darlehensvertrag widerrufen zu müssen, ist durch ein aktuelles Urteil des OLG Frankfurt a. M. vom 01.07.2020 (Az.: 17 U 810/19) in den Fokus der öffentlichen Berichterstattung geraten.
Der Sachverhalt
Das OLG Frankfurt hatte die Commerzbank zur Rückzahlung der von einem Darlehensnehmer entrichteten VfE von über 20.000 € für zwei im November 2016 abgeschlossene und 2018 im Zuge der Veräußerung der Immobilie vorzeitig abgelöste Immobiliendarlehensverträge verurteilt. Das Urteil stützt sich auf die Feststellung, dass die Commerzbank den Darlehensnehmer im Rahmen des Darlehensvertrags nicht hinreichend klar und nachvollziehbar über die Berechnungsweise der VfE informiert habe. Die rechtliche Grundlage für den Rückzahlungsanspruch liegt in der ab dem 21.03.2016 für Immobiliendarlehensverträge gültigen Vorschrift des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Gemäß dieser Vorschrift ist im Falle der vorzeitigen Zurückzahlung des Darlehens der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen, wenn „im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind“.
Der Darlehensvertrag, über den das OLG Frankfurt entschieden hat, beinhaltete den folgenden Passus:
„7. Voraussetzungen und Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens (…)
Zunächst ermittelt die Bank unter Berücksichtigung etwa vertraglich vereinbarter Sondertilgungsrechte wann und in welcher Höhe Zahlungen vom Darlehensnehmer zu entrichten gewesen wären, wenn das Darlehen fortgeführt worden wäre. In einem weiteren Schritt ermittelt die Bank, welchen Betrag sie zum vorgesehenen Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung anlegen muss, damit der Bank der vereinbarte Betrag zum vorgesehenen vertraglichen Fälligkeitstermin der jeweiligen ausstehenden Rate zur Verfügung stehen würde. Dabei differenziert die Bank wie folgt: Soweit Pfandbriefe mit entsprechenden fristen-kongruenten Laufzeiten vorhanden sind, legt die Bank für die Verzinsung des vorzeitig zurückgezahlten Darlehenskapitals die Zinssätze der entsprechenden am Kapitalmarkt verfügbaren Hypothekenpfandbriefe zugrunde. Die Summe der so ermittelten Anlagebeträge abzüglich des noch nicht zurückgezahlten Darlehensbetrages stellt die Ausgangssumme der Vorfälligkeitsentschädigung dar“
Das OLG Frankfurt gründete seine Feststellung einer unzureichenden Information darauf, dass es die Commerzbank unterlassen habe, darüber aufklären, wie die Berechnung erfolgt, wenn Hypothekenbriefe nicht vorhanden sind wie bpsw. im Falle unterjähriger Laufzeiten.
Anwendungsbereich des Urteils
Das Urteil des OLG Frankfurt betrifft zwar unmittelbar lediglich Immobiliendarlehensverträge der Commerzbank, die das betroffene Vertragsformular durchgängig verwendet hat. Allerdings enthalten auch die Verträge einer Reihe anderer Kreditinstitute unklare Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung. So ergab eine Stichprobe der IG Widerruf, dass mit Ausnahme der Unicredit/Hypovereinsbank sowohl bei Sparkassen, Volksbanken, als auch bei INGDIBA, DSL Bank, Sparda und der Deutschen Bank Fehler in den einschlägigen Informationen zu finden sind.
Weitere einschlägige Fehlerquellen:
Es exstieren eine Reihe weiterer Fehler, die möglicherweise gemäß der Regelung des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB einen Anspruch der Bank auf eine Vorfälligkeitsentschädigung entfallen lassen können, z.B.:
Fehlinformation über das Kündigungsrecht bei Verträgen mit längerer Zinsbindung als 10 Jahren
In vielen Verträgen findet sich die Information, dass Kreditnehmer ihr Darlehen vor Ablauf der Zinsbindung bei Vorliegen eines „berechtigten Interesses“ nur gegen Vorfälligkeitsentschädigung zurückzahlen dürfen. Dies trifft jedoch dann nicht zu, wenn die Zinsbindung mehr als zehn Jahre beträgt. Derartige Darlehen sind vielmehr gem. § 489 BGB unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten ohne Entschädigung kündbar, sobald zehn Jahre seit Vollauszahlung verstrichen sind. Die Bank darf ihren Zinsverlust dann entsprechend nur bis zum erstmöglichen Kündigungstermin berechnen.
Renditen von Pfandbriefen
Verträge von Genossenschaftsbanken enthalten mitunter den Hinweis, dass für die Berechnung des Zinsschadens die Renditen von „Kapitalmarkttiteln öffentlicher Schuldner“ maßgeblich sind, z.B. von Bundesanleihen. Gemäß BGH-Rechtsprechung (BGH, Beschl. vom 07.11.2000 - XI ZR 27/00) sind hingegen die höheren Renditen für Hypothekenpfandbriefe anzusetzen.
Sondertilgung
Teilweise fehlt in Kreditverträgen auch der Hinweis, dass vereinbarte Sondertilgungsrechte oder eine Ratenerhöhung zugunsten des Kunden zu berücksichtigen sind. Dadurch fällt die Vorfälligkeitsentschädigung meist deutlich niedriger aus als bei Krediten mit starrer Tilgung.
Einer Bank nutzt es in solchen Fällen nichts, wenn sie die Entschädigung bei der Ablösung des Kredites gleichwohl korrekt berechnet. Derartige Informationsfehler im Darlehensvertrag kann die Bank später nicht mehr heilen. Wenn die Angaben über die Berechnung der VfE unzureichend sind, entfällt der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung.
Zusammenfassung:
Dementsprechend lässt sich festhalten, dass von der Regelung des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB alle Darlehensnehmer profitieren können, bei denen folgende Voraussetzungen gegeben sind
Hinweise zum rechtlichen
Vorgehen
Da die Commerzbank gegen das Urteil des OLG Frankfurt Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH eingelegt hat, ist allerdings vorläufig nicht damit zu rechnen, dass die Banken sich bei dieser speziellen Fallkonstellation auf außergerichtliche Verhandlungen einlassen werden, die ohnehin nur Aussicht auf Erfolg haben, wenn diese von einem fachlich versierten Anwalt geführt werden. Die anwaltlich betreute Durchsetzung des Widerrufs kann zunächst nur Darlehensnehmern empfohlen werden, die über eine eintrittspflichtige Rechtsschutzversicherung verfügen. Darlehensnehmer ohne Rückendeckung einer Rechtsschutzversicherung, bei denen die vorzeitige Ablösung des Immobiliendarlehens ansteht, sollten jedoch zur Wahrung ihrer Rechte eine VfE lediglich unter dem Vorbehalt der Rückforderung zahlen.
Verstoß gegen Kreditwürdigkeitsprüfung führt ebenfalls zum Verlust der VfE
Auch ein Verstoß gegen die nach § 505a BGB erforderliche Kreditwürdigkeitsprüfung kann Erfolg bringen, denn ein solcher Verstoß führt nach § 505 d Abs. 1 Satz 3 BGB zum Verlust der Vorfälligkeitsentschädigung für den Darlehensgeber.
Rechtliche Handlungsperspektiven des
Darlehensnehmers
Der Widerruf des Kreditvertrages oder die Rückforderung einer Vorfälligkeitsentschädigung sind freilich alles andere als Selbstläufer. Insbesondere die erfolgreiche Geltendmachung des Widerrufsrechts setzt vielmehr eine hieb- und stichfeste rechtliche Begründung voraus, die von einem fachlich versierten Anwalt verfasst werden sollte. Denn inzwischen gibt es eine umfangreiche differenzierte Rechtsprechung zu diesem Themenkreis, bei der die Umstände des jeweiligen Einzelfalles ein große Rolle spielen. Welche von den Banken verwendeten Klauseln in Widerrufsbelehrungen im Einzeln den rechtlichen Anforderungen entsprechen, ist teilweise umstritten. Die gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Belehrung haben im Laufe der letzten 10 Jahre mehrfache Änderungen erfahren.Der Teufel steckt also auch hier im juristischen Detail.
Nach unseren Erfahrungen lenken die Banken jedoch bei einer rechtlich fundierten Begründung des Widerrufs in aller Regel ein. Mit anwaltlicher Hilfe können in vielen Fällen Vereinbarungen über eine Anpassung der Zinskonditionen bzw. über eine Reduzierung der Vorfälligkeitsentschädigung getroffen werden, ohne dass eine gerichtliche Auseinandersetzung um die Wirksamkeit des Widerrufes geführt werden muss.
Unser Angebot für Sie:
Wir prüfen bundesweit im Wege einer kostenlosen Erstberatung Ihren Immobiliendarlehensvertrag im Hinblick auf einen Widerruf bzw. die Möglichkeit der Vermeidung oder Rückforderung einer Vorfälligkeitsentschädigung auch ohne Darlehenswiderruf. Dies gilt aber grundsätzlich nur noch für solche Verträge, die ab dem 11.06.2010 abgeschlossen worden sind.
Bei Altverträgen im
Abschlusszeitraum von November 2002 bis zum 10.06.2010 hingegen ist
das Widerrufsrecht aufgrund einer gesetzlichen Neuregelung am
21.06.2016 erloschen in allen Fällen, in denen eine
fehlerhafte Widerrufsbelehrung erfolgt ist. Wir
bitten also, von der Übersendung solcher Altverträge Abstand zu
nehmen. Es sei denn, der Widerruf ist noch rechtzeitig vor dem
Stichtag 21.06.2016 (vorsorglich) vom Darlehensnehmer gegenüber der
Bank erklärt worden oder aber der Widerruf des Altvertrages
insbesondere mit der DSL-Bank soll auf die Nichterfüllung von
Informationspflichten nach der BGB-InfoVO gestützt werden. (s.
Erläuterungen unter Nr. 11 der Fehlerliste)
Sollte die Prüfung ergeben, dass hinreichende Erfolgsaussichten bestehen, übernehmen wir anschließend gerne Ihre anwaltliche Vertretung gegenüber der Bank.
Die Kosten für die anwaltliche Ausübung Ihres Widerrufsrechts und die außergerichtliche Vertretung gegenüber der Bank fallen in der Regel gegenüber dem bestehenden Zinseinsparpotenzial nicht ins Gewicht. Gerne geben wir Ihnen hierfür auf Anfrage eine detaillierte Kosteninformation.
Falls Sie über eine Rechtsschutzversicherung verfügen, klären wir für Sie die Kostenübernahme. In der Regel sind die Rechtsschutzversicherungen aber erst eintrittspflichtig, sobald die Bank die Anerkennung der Widerrufs abgelehnt hat.
Betroffene Darlehensnehmer werden ausdrücklich davor gewarnt, auf eigene Faust den Widerruf gegenüber ihrer Bank zu erklären. In aller Regel nämlich pflegen die Banken derartige Versuche mit standardisierten Ablehnungsschreiben ins Leere laufen zu lassen. Darüber hinaus bergen derartige Laieninitiativen die große Gefahr, dass dadurch vielfach irreparable Fehler begangen werden, die später auch mit anwaltlicher Unterstützung nicht mehr behoben werden können. Davon ist dringend abzuraten, zumal von zahlreichen Anwaltskanzleien - so auch von uns - nichtrechtsschutzversicherten Darlehensnehmern die Übernahme des Mandates für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung auf der Basis eines Erfolgshonorars angeboten werden.
Senden Sie uns einfach und unbürokratisch unter Angabe Ihrer Kontaktdaten Ihre Unterlagen am besten als PDF-Datei per E-Mail an ra-dr-kroells@email.de oder per Fax an 03212-1023458 bzw. 040-880 981 55 zur Prüfung zu.