Widerruf Immobiliendarlehensverträge/ Vorfälligkeits-Joker/
Widerruf
KfZ-Finanzierungsverträge
Widerruf von
Immobiliendarlehen
Aktueller Stand der Rechtsprechung zum "Widerrufsjoker" (26.01.2022)
Das Widerrufsrecht für Altverträge, die im
Zeitraum von 2002 bis zum 10.06.2010 abgeschlossen wurden, ist am
21.06.2016 - bis auf wenige Ausnahmen - erloschen. Für
Darlehensverträge mit Abschlusszeitpunkt ab dem 21.03.2016 erlischt
das Widerrufsrecht spätestens 1 Jahr und 14 Tage nach
Vertragsschluss, auch wenn die Widerrufsinformation fehlerhaft ist
oder Angaben hierzu im Vertrag fehlerhaft sind oder ganz
unterblieben sind.
Darlehensverträge mit Abschlusszeitpunkt im Zeitraum vom 11.06.2010 bis 20.03.2016 werden hingegen von der gesetzlichen Neuregelung nicht erfasst. Für diese Verträge gilt deshalb weiterhin ein im Prinzip „ewiges“ Widerrufsrecht. Solche Darlehensverträge mit Abschlusszeitpunkt ab dem 11.06.2010 weisen eine erhebliche Fehlerquote auf.
Die Entdeckung zahlreicher neuer
Widerrufssachverhalte bei Darlehensverträgen aus diesem Zeitraum
hat dazu geführt, dass der „Widerrufsjoker“ als rechtlicher Hebel
für Darlehensnehmer, sich aus der rechtlichen Bindung an
Darlehensverträge aus Hochzinszeiten zu befreien, weiterhin von
hoher Aktualität ist.
Dies gilt freilich nur sehr bedingt für die
sogen. Kaskadenverweisung, die der EuGH in einem
vielbeachteten Urteil vom 26.03.2020 als unzulässigen Verstoß gegen
die Europäische Verbraucherschutzrichtlinie gewertet hatte.
Das Urteil des EuGH hatte der BGH nur wenige Tage später mit zwei
einschlägigen Entscheidungen ins Leere laufen lassen. Der Vorrang,
den der BGH dort der nationalen Rechtsprechung vor den Vorgaben der
Europäischen Verbraucherschutzrichtlinie einrämut, muss freilich
nicht unbedingt das letzte Wort in dieser Sache gewesen sein.
Vgl. dazu die Ausführungen in meinem Anwaltstipp bei
anwalt.de vom 27.04.2020 "BGH bremst EuGH-Urteil
aus."
Die einschlägigen Fehler in Darlehensverträgen,
auf denen die aktuell aussichtsreichen Widerrufsmöglichkeiten
beruhen, dokumentiert die folgende ausführliche
Darstellung.
Übersicht:
1.
Verwendung der unechten Pflichtangabe der "zuständigen
Aufsichtsbehörde“
2.
Unzureichende Angabe zum Adressaten des Widerrufs: Postfach statt
ladungsfähiger Anschrift
3. Fehlende Erteilung der vermeintlichen Pflichtangabe „Einhaltung des Kündigungsverfahrens“
4. Fehlende Angabe von Anzahl und Fälligkeitszeitpunkt sowie der Höhe der (monatlichen) Darlehensraten
7. Widerrufsmöglichkeiten bei verbundenen und zusammenhängenden Immobiliendarlehensverträgen
8.
Verwendung eines nicht mehr gültigen Vertragsformulars - Spardabank
+ Commerzbank
9. Neu:. Angabe eines
einheitlichen Tageszinsbetrags in der Widerrufsbelehrung für
unterschiedliche (Teil)Darlehen
1. Verwendung der unechten Pflichtangabe der "zuständigen Aufsichtsbehörde“
Auf Grundlage des BGH-Urteils vom 22. November 2016 – XI ZR 434/15 - ist eine höchst positive Entwicklung zu Gunsten der Darlehennehmer mit Neuverträgen im Abschlusszeitraum vom 11.06.2010 bis 21.03.2016 eingetreten, in deren Widerrufsbelehrung der Beginn des Fristenlaufes davon abhängig gemacht wird, dass der Darlehensnehmer über die für die Bank zuständige Aufsichtsbehörde (in der Regel "Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)" informiert worden ist. Die fragliche Widerrufsbelehrung sieht wie folgt aus:
Widerrufsinformation
Widerrufsrecht
Der Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer die Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z. B. Angabe des effektiven Jahreszinses, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrages, Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde) erhalten hat. (…)
Der Darlehensnehmer hat alle Pflichtangaben erhalten, wenn sie in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung seines Antrags oder in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung der Vertragsurkunde oder in einer für den Darlehensnehmer bestimmten Abschrift des Antrags oder der Vertragsurkunde enthalten sind und dem Darlehensnehmer eine solche Unterlage zur Verfügung gestellt worden ist. Über in den Vertragstext nicht aufgenommene Pflichtangaben kann der Darlehensnehmer nachträglich in Textform informiert werden, die Widerrufsfrist beträgt dann einen Monat. Der Darlehensnehmer ist mit den nachgeholten Pflichtangaben nochmals auf den Beginn der Widerrufsfrist hinzuweisen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an (…)
Aufgrund der erwähnten BGH-Entscheidung (bestätigt durch Urteil vom 04.07.2017 - BGH IX ZR 741/16) hängt die Frage der Widerrufbarkeit derartiger Darlehensverträge entscheidend davon ab, ob das Kreditinstitut im Rahmen des individuellen Vertrages die zuständige Aufsichtsbehörde mit deren Anschrift tatsächlich genannt hat. Hat die Bank diese Angabe unterlassen, hat dies zur Konsequenz, dass die 14-Tagefrist nicht in Gang gesetzt worden ist und der Darlehensvertrag auch noch zum jetzigen Zeitpunkt im Prinzip ohne Befristung widerrufen werden kann.
Für die Wirksamkeit der Unterrichtung ist
ausreichend, wenn die Angabe der vermeintlichen Pflichtangabe der
zuständigen Aufsichtsbehörde im Rahmen der dem Vertrag (als Anlage)
beigefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) erfolgt, nicht
jedoch die Angabe im „Europäischen
Standardisierten Merkblatt" (ESM). (so OLG Frankfurt, Urteil
vom 11.04.2017 - 25 U 110/16; OLG Karlsruhe, Urteil v.
14.03.2017 – 17 U 204/15). Erst recht nicht, wie erst jüngst in
einem gegen die Hamburger Sparkasse ergangenen Urteil des LG
Hamburg vom 05.03.2021 (318 O 27/20) bestätigt, die Nennung der
Aufsichtsbehörde im Preis- und Leistungsverzeichnis des
Kreditinstituts.
Insbesondere die Sparkassen haben das entsprechende Formular bundesweit flächendeckend verwandt. In den von unserer Kanzlei geprüften Verträgen konnte bislang in keinem einzigen Fall im Rahmen des eigentlichen Vertragstextes oder der AGB der erforderliche Hinweis auf die zuständige Aufsichtsbehörde aufgefunden werden. Dieser Sachverhalt eröffnet sehr gute Aussichten, mit Unterstützung eines Fachanwaltes mit den betroffenen Kreditinstituten außergerichtliche Verhandlungen mit dem Ziel einer Neukonditionierung derartiger Darlehensverträge aufzunehmen.
Dies gilt bundesweit insbesondere für die
Darlehensverträge der Sparkassen, insbesondere der
Hamburger Sparkasse aber auch zahlreicher
Sparkassen im Hamburger Umland und im norddeutschen Raum wie bspw.
der Sparkasse Harburg-Buxtehude, Kreissparkasse Herzogtum
Lauenburg, der Sparkasse Hannover sowie
der Hannoverschen Volksbank, ferner auch Swiss-Life,
BHW-Bausparkasse, Kreissparkasse Köln und R + V Versicherung,
Sparkasse Neuwied, Sparkasse Siegen. Die genannten
Institute haben insbesondere in den Jahren 2010 bis 2013 vielfach
derartige widerrufbarer Darlehensverträge abgeschlossen. Gleiches
gilt für Darlehensverträge der Deutschen Bank Privat- und
Geschäftskunden AG und der
DSL.
Zwischenzeitlich sind in derartigen Konstellationen unter Bezugnahme auf das BGH-Grundsatzurteil insbesondere vor dem Hamburger Landgericht mehrere einschlägige Urteile gegen die Hamburger Sparkasse ergangen (LG Hamburg, Urteil v. 26.07.2017 - 331 O 420/16, LG Hamburg, Urteil v. 25.10.2107 - 325 O 345/16), ebenso gegen die Sparkasse Harburg- Buxtehude (LG Hamburg 303 O 109/17).
2. Unzureichende Angabe zum Adressaten
des Widerrufs: Postfach statt ladungsfähiger
Anschrift
Das KG Berlin hat in einem
Hinweisbeschluss vom 04.03.2019 (8 U 74/17) entschieden, dass
die Angabe einer Postfach-Anschrift in der Widerrufsbelehrung
unzureichend ist und die Widerrufsfrist nicht in Gang setzt. Eine
Postfach-Anschrift ist keine ladungsfähige Anschrift. Vielmehr ist
die Angabe einer (Haus)anschrift mit Straße, Hausnummer und
Postleitzahl erforderlich.
Der Beschluss ist in einem Verfahren ergangen, das einen Darlehensvertrag der DKB-Bank aus dem Jahre 2011 betraf. Derselbe Fehler findet sich auch in zahlreichen Verträgen der DSL Bank, der Commerzbank und einer Reihe von Sparkassen.
Ein anderer Senat des KG Berlin hat freilich in
einem Hinweisbeschluss vom 30.04.2019 (4 U 195/16) die
gegenteilige Rechtsauffassung vertreten.
Für rechtsschutzversicherte Darlehensnehmer folgender Hinweis: Bei streitiger Rechtslage ist Versicherungsschutz zu gewähren, wenn eine gleichrangige Erfolgswahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Versicherungsnehmer in einem Prozess mit seinem Rechtsstandpunkt obsiegen wird. Diese Voraussetzung ist hier gegeben, wenn wie hier zwei Senate eines Oberlandesgerichts zu der relevanten Streitfrage eine gegenteilige Auffassung vertreten.
3. Fehlende Erteilung der vermeintlichen Pflichtangabe „Einhaltung des Kündigungsverfahrens“
Dasselbe gilt, wenn das Kreditinstitut in der Widerrufsinformation den Fristbeginn von der Information über das bei der Kündigung einzuhaltende Verfahren abhängig macht, aber im Vertrag diese Information nicht oder nur unzureichend erteilt, beispielsweise wenn nur über die Kündigungsrechte der Bank nicht aber die Kündigungsrechte des Darlehensnehmers informiert wird (so in Verträgen der Nordrheinischen Ärzteversorgung)
4. Fehlende Angabe von Anzahl und Fälligkeitszeitpunkt sowie der Höhe der (monatlichen) Darlehensraten
Diese
Angabe ist eine Pflichtangabe gem. Art. 247 EGBGB
a. F. § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1, §
3 Abs. 1, Nr. 7. Die Konsequenz bei Fehlen von
Pflichtangaben: Die Widerrufsfrist wird nicht in Lauf
gesetzt.
Dieser Fehler finden sich in
Verträgen einer Reihe von Kreditinstituten insbesondere der
DSL-Bank und der Bausparkasse
Mainz.
Standardbeispiel: Der Vertrag beinhaltet lediglich die Angabe, dass die Raten monatlich zu zahlen sind, ohne den genauen Zeitpunkt der Fälligkeit - bspw. am Monatsanfang oder am Monatsende - zu benennen.
In Darlehensverträgen insbesondere der Evangelischen Darlehensgenossenschaft eG aus dem Jahre 2013 mit der Vereinbarung der endfälligen Tilgung des Darlehens wurde "vergessen", die Höhe der monatlich zu entrichtenden Zinsen anzugeben. Entgegen zwei anderslautenden Entscheidungen des Landgerichts Kassel vom 12.4.2019 - 4 O 2039/16 und des LG Hamburg vom16.10.2020 - Az. 330 O 79/20 ist nach einer jüngst ergangenen Entscheidung des OLG Saabrücken vom 22.04.2021 (Az.: 4 U 27/20) auch bei endfälligen Darlehen, in denen die Tilgung erst am Ende der Laufzeit (mittels eines Tilgungsersatzinstruments wie einer Lebensversicherung oder einem Bausparvertrag) erfolgt, die Angabe der (monatlichen) Zinsrate keineswegs entbehrlich. Das Fehlen dieser Angabe führt vielmehr zur Widerrufbarkeit des Darlehensvertrags.
Die Musterwiderrufsinformation (Anlage 6 zu Art. 247 § 6 EGBGB in der Fassung vom 24.7.2010) sieht folgende Hinweise zu den Widerrufsfolgen vor:
In zahlreichen Verträgen insbesondere der DSL-Bank im Zeitraum von 2010 bis 2015 fehlt jedoch der Hinweis darauf, dass als Folge des Widerrufs ein bereits ausbezahltes Darlehen zurückzuzahlen ist und Zinsen zu vergüten sind oder zuweilen auch die Angabe des pro Tag zu zahlenden Zinsbetrages.
In anderen Verträgen wiederum fehlt der Passus über die Verringerung des Betrages bei nur teilweiser Inanspruchnahme des Darlehens.
Das Gleiche gilt, wenn der in der Musterwiderrufsinformation vorgesehene Hinweis über eine mögliche Reduzierung der vom Darlehensnehmer im Falle der Rückabwicklung zu entrichtenden unterlieben ist.
„Wenn der Darlehensnehmer nachweist, dass der Wert seines Gebrauchsvorteils niedriger war als der Vertragszins, muss er nur den niedrigeren Betrag zahlen. Dies kann z.B. in Betracht kommen, wenn der marktübliche Zins geringer war als der Vertragszins.“
Dies hat eine einschlägige rechtskräftige Entscheidung des Landgerichts Hamburg festgestellt, die gegen die Hamburger Volksbank ergangen ist. (LG Hamburg, Urteil vom 13.11.2015 - 329 O 174/15). Eine derartige „Auslassung“ ist insbesondere in Immobiliendarlehensverträgen der Hamburger Volksbank im Zeitraum von Juni 2010 bis März 2016 zu finden.
Derartige Unterlassungen haben zur Konsequenz, dass die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt wurde, weil die Unterlassung zur Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung führt bzw. als Nichterteilung der geschuldeten Pflichtangaben gem. Art 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 EGBGB zu werten ist. (Vgl. das einschlägige Urteil des Landgerichts Bonn vom 11.07.2017 – 17 O 402/16.)
6. Fehlende Angaben zu Zusatzleistungen, insbesondere der Pflicht zum Abschluss einer Gebäudeversicherung
Obliegt dem Darlehensnehmer gegenüber der Bank
die Obliegenheit zum Abschluss einer Gebäudeversicherung, die etwa
durch die AGB der Bank begründet werden kann, so muss gemäß
Art. 247 §§ 8, 9 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 EGBGB a.F. ein ausdrücklicher
Hinweis auf eine solche Verpflichtung auch in der eigentlichen
Vertragsurkunde selbst enthalten sein. Das Fehlen dieser gesetzlich
vorgeschriebenen Pflichtangabe führt dazu, dass die Widerrufsfrist
nicht zu Laufen beginnt und deshalb solche Darlehensverträge auch
nach Jahren noch widerrufen werden können. Deshalb sah sich in zwei
einschlägigen Gerichtsverfahren vor dem LG Freiburg bzw. dem LG
Karlsruhe die BB-Bank aufgrund einer dementsprechenden
richterlichen Einschätzung genötigt, Vergleichen zu Gunsten
der Darlehensnehmers zuzustimmen. Mittlerweise ist eine
gleichlautende Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 30.06.2017
(I – 17 U 244/ 16 Rz. 57/58) bekannt geworden, auf die
sich betroffene Darlehensnehmer mit guten Erfolgschancen berufen
können. Hingegen hat das OLG Frankfurt in einem Beschluss vom
21.12.2018 (23 U 82/18) die gegenteilige Auffasung vertreten. Von
daher ist zumindest für rechtsschutzversicherte Darlehennehmer der
Widerruf bei dieser Fallkonstellation eine hinreichend
erfolgversprechende Option.
Diese Ausführungen gelten sinngemäß auch für anderweitige Zusatzleistungen, zu denen sich der Immobiliardarlehensnehmer gegenüber der Bank verpflichtet, insbesondere die Verpflichtung zum Abschluss anderer Versicherungen, eines Kontoführungsvertrages oder des Erwerbes von Genossenschaftsanteilen. Fehlen solche Angaben im Darlehensvertrag, begründet sich daraus ein Widerrufsrecht.
Fehlende Angaben zur Höhe der
Kontoführungsgebühren
Dies gilt insbesondere für Darlehensverträge der
Sparda Bank Baden-Württemberg, in denen regelmäßig
die Verpflichtung zur Führung eines Gehaltskontos verankert ist,
aber die gem. Art. 247 § 8 Abs. 1 S. 2 erforderlichen Angaben
zu den Kontoführungsgebühren und den Bedingungen ihrer Anpassung
fehlen.
7. Widerrufsmöglichkeiten bei
verbundenen und zusammenhängenden
Immobiliendarlehensverträgen
Unzulässige Belehrungen zu verbundenen Verträgen, obwohl keine verbundenen Verträge vorliegen (Bausparverträge + Kapitallebensversicherungen)
Eine bislang kaum beachtete Fehlerquelle betrifft Immobiliendarlehensverträge, die mit anderen Verträgen kombiniert sind, ohne dass gleichzeitig ein verbundener Vertrag im Sinne des § 358 BGB vorliegt. Typische Beispielsfälle sind die Verknüpfung zwischen einem Immobiliendarlehensvertrag und einem Bausparvertrag bzw. einer Kapitallebensversicherung. Der rechtliche Ansatzpunkt für einen möglichen Widerruf besteht darin, dass bei diesen Standardkonstellationen kein „verbundener Vertrag“ im rechtstechnischen Sinn von § 358 Abs. 3 BGB vorliegt. Ein verbundener Vertrag ist nämlich nur unter der Voraussetzung gegeben, dass der Darlehensvertrag zur Finanzierung des Bausparvertrages dient, aber nicht umgekehrt. Dient wie in der Regel die Ansparung aus dem Bausparvertrag dazu, das Darlehen zu einem späteren Zeitpunkt zu tilgen, liegt kein verbundener Vertrag gemäß § 358 BGB vor. Dasselbe gilt für Kapitallebensversicherungsverträge, mit deren Auszahlung das Immobiliendarlehen getilgt werden soll. (BGH Urteil vom 05.05 2015 –XI ZR 406/13).
Eine Reihe von Kreditinstituten aber verwendet auch bei diesen Konstellationen (Darlehensvertrag + Bausparvertrag oder Kapitallebensversicherung) im Rahmen der Widerrufsinformation Textbausteine für Verbundgeschäfte, auch wenn ein solches gar nicht vorliegt und belehrt darin den Darlehensnehmer, dass dieser im Falle des wirksamen Widerrufs des Darlehensvertrags auch nicht mehr an den mit dem Darlehensvertrag verbundenen Vertrag gebunden sei. Und umgekehrt, dass der Widerruf des verbundenen Vertrages die Bindung an den Darlehensvertrag entfallen lässt.
Solche Sammelbelehrungen, die für Altverträge noch erlaubt gewesen sind, sind wegen ihres irreführenden Charakters für Verträge, die ab dem 30.07.2010 geschlossen wurden, aufgrund einer Gesetzesänderung jedoch nicht mehr zulässig und begründen die Fehlerhaftigkeit der erteilten Widerrufsinformation. Dies geht aus zwei einschlägigen Entscheidungen des BGH hervor (vgl. BGH, Beschluss vom 24.01.2017 – XI ZR 66/16; BGH, Urteil vom 21.02.2017 – XI ZR 467/15) und wird durch zahlreiche Entscheidungen der Instanzgerichte bestätigt (bspw. OLG München, Urteil vom 09.11.2017 – 14 U 465/17; LG Stuttgart - Urteil vom 06.12.2018 – 25 O 152/18).
Fehlerhafte Belehrungen bei verbundenen Verträgen
Natürlich gibt es auch den umgekehrten Fall, dass tatsächlich ein verbundener Vertrag vorliegt wie im Standardbeispiel der mit einem Immobiliendarlehensvertrag verknüpften Restschuldversicherung (BGH Urteile vom 15.12.2009 – XI ZR 45/09 und 18.01.2011 - XI ZR 356/09). Wird hierauf in den Widerrufsinformationen nicht hingewiesen oder aber statt des Textbausteins zu den verbundenen Verträgen derjenige zu den sogen. „zusammenhängenden Verträgen“ benutzt, führt dies ebenfalls zur Widerrufbarkeit des Darlehensvertrages.
Nach einer jüngst veröffentlichten Entscheidung des BGH vom 10.11.2020 (XI ZR 426/19) entfällt die Schutzwirkung der Verwendung der amtlichen Musterbelehrung, falls im Muster vorgesehene "Zwischenüberschriften" insbesondere düe Überschriften "Besonderheiten bei weiteren Verträgen" bzw. "Einwendungen bei verbundenen Veträgen" in der Widerrufsinformation weggelassen worden sind.
Belehrungsfehler/Informationspflichtverletzungen bei zusammenhängenden Darlehensverträgen
Unter solchen sind gemäß § 360 BGB n. F.
Verträge zu verstehen, die zwar im Zusammenhang mit dem
Darlehensvertrag abgeschlossen werden, aber nicht gleichzeitig den
Charakter eines verbundenen Geschäftes im Sinne des § 358 BGB
besitzen, insbesondere Darlehensverträge mit Zusatzleistungen gemäß
§ 359 Abs. 2 BGB a. F. bzw. § 360 Abs. 2 BGB n. F.. Darunter fallen
etwa Versicherungen, zu deren Abschluss der Darlehensnehmer sich
gegenüber der Bank verpflichtet (Gebäudeversicherung),
Kontoführungs- oder Kreditkartenverträge oder die Verpflichtung des
Darlehensnehmers zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen, aber auch
Bausparverträge und Kapital- oder
Risikolebensversicherungen.
Liegen solche zusammenhängenden Verträge (über
Zusatzleistungen) vor, kann die Bank entsprechende
Hinweise über die Widerrufsfolgen in die Widerrufsinformationen
einfügen, muss dies aber nicht. Diese Angaben sind insbesondere
dann fehlerhaft, wenn sie in den Widerrufsinformationen enthalten
sind, aber überhaupt kein solcher Nebenvertrag über
Zusatzleistungen abgeschlossen wurde. Dies gilt entsprechend, wenn
ein Rechtsfolgenhinweis bezüglich des Widerrufs einer vom
Darlehensgeber finanzierten Zusatzleistung eingefügt wird,
der Darlehensnehmer aber wie üblicherweise die Zusatzleistung
wie bspw. eine Lebensversicherung durch Entrichtung der
Versicherungsprämien selber finanziert. Dieser Fehler findet sich
insbesondere in Darlehensverträgen der Sparda Bank
Baden-Württemberg und der PSD-Bank Nord. Fehlerhaft ist die
Widerrufsinformation auch dann, wenn es versäumt wird, die
vereinbarten Zusatzleistungen (Gebäuderversicherung, Führung eines
Kontos, Lebensversicherung etc .) im Rahmen der
Widerrufsinformation in dem dafür vorgesehenen Feld zu
bezeichnen. (so in Darlehensverträgen der Sparda-Bank
Südwest).
Fehlende Pflichtangaben bei
Darlehensverträgen mit Zusatzleistungen mit vermögensbildendem
Charakter gem. Art. 247 § 8 EGBGB
Gemäß Art. 247 §§ 8 Abs. 3 S. 2, 9 Abs. 1 S. 1
EGBGB gilt für Immobiliendarlehensverträge, die mit obligatorischen
Zusatzleistungen mit vermögensbildendem Charakter verknüpft sind
(insbesondere mit Bausparverträgen oder Lebensversicherungen, die
als Tilgungsersatzinstrumente dienen) folgende Informationspflicht
gem. § 492 Abs. 2 BGB, deren Nichteinhaltung zum Nichtbeginn der
Widerrufsfrist führt:
„Verpflichtet sich der Darlehensnehmer mit
dem Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags auch zur
Vermögensbildung, muss aus der vorvertraglichen Information und aus
dem Verbraucherdarlehensvertrag klar und verständlich hervorgehen,
dass weder die während der Vertragslaufzeit fälligen
Zahlungsverpflichtungen noch die Ansprüche, die der Darlehensnehmer
aus der Vermögensbildung erwirbt, die Tilgung des Darlehens
gewährleisten, es sei denn, dies wird vertraglich
vereinbart.“
Ein solcher Hinweis ist beispielsweise in den
Darlehensverträgen der Volksbanken unter Nr.
8 „Hinweis bei Tilgungsersatzinstrumenten“ enthalten:
„Weder die während der Vertragslaufzeit fälligen Zahlungsverpflichtungen aus dem Darlehensvertrag noch die Ansprüche, die der Darlehensnehmer aus der Vermögensbildung erwirbt, gewährleisten die Tilgung des Darlehens.“
Anfechtbar hingegen erscheint die von der
Deutschen Bank Privat- und Geschäftskunden AG im Zeitraum von 2010
- 2016 in ihren Darlehensbedingungen unter Ziffer VIII 9.2. wie
folgt verankerte Klausel:
„Der Abschluss eines Vertrages zur
Vermögensbildung, mit dessen Hilfe das Darlehen zurückgeführt
werden soll, gewährleistet nicht, dass die Ansprüche , die der
Darlehensnehmer aus dem Vertrag zur Vermögensbildung erwirbt, zur
Rückzahlung ausreichen. Reichen die als Vermögen gebildeten Mittel
nicht aus, zur Zurückzahlung des Darlehens am Ende der
Vertragslaufzeit nicht aus, ist der Darlehensnehmer verpflichtet,
zusätzliche Eigenmittel zur vollständigen Rückzahlung des fälligen
Darlehensbetrages einzusetzen. Die Bank kann auch eine laufende und
ggf. erhöhte Tilgung verlangen.“
Denn diese Klausel stellt lediglich darauf ab, dass die Mittel aus der Vermögensbildung nicht zur Tilgung am Ende der Vertragslaufzeit ausreichen. Hingegen wird nicht erwähnt, dass auch die während der Vertragslaufzeit zu erbringenden Tilgungsleistungen möglicherweise nicht ausreichend sind, um eine vollständige Tilgung zu bewirken.
8. Verwendung eines nicht mehr
gültigen Vertragsformulars
- Spardabank +
Commerzbank
Die Spardabank Baden-Württemberg sowie die Commerzbank haben in Darlehensverträgen mit Abschlusszeitpunkt nach dem 10.06.2010 versehentlich ein für einen vorhergehenden Zeitraum gültiges Formular für die Widerrufsbelehrung verwandt.
Textauszug:
Widerrufsbelehrung für Verbraucherdarlehensverträge
Widerrufsrecht
Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen (einem Monat)1 ohne Angaben von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag nachdem Ihnen
- ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung und
- die Vertragsurkunde, Ihr schriftlicher Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder Ihres Vertragsantrags
zur Verfügung gestellt wurden. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
Der Widerruf ist zu richten an:
Dementsprechend dürften sich in zahlreichen Parallelfällen gute Erfolgsaussichten für die betroffenen Darlehensnehmer eröffnen.
9. Angabe eines einheitlichen Tageszinsbetrags in der Widerrufsbelehrung für unterschiedliche (Teil)Darlehen
Eine Reihe von Banken wie insbesondere die Commerzbank und die DSL haben im Zeitraum von 2010-2016 verschiedene Teildarlehen mit unterschiedlichen Konditionen in einem Vertrag kombiniert. In der Widerrufsinformation wird jedoch lediglich ein zusammenfassender Tages-Zinsbetrag für alle Darlehen genannt, den der Verbraucher im Fall des Widerrufs zu zahlen hat. Entscheidet sich der Darlehensnehmer, nur eines der Teildarlehen zu widerrufen, weiß er deshalb nicht, wie hoch der Tageszins ist, den er zu zahlen hat. Gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB müssen jedoch Immobiliendarlehensverträge einen Hinweis auf die Verpflichtung des Darlehensnehmers enthalten, dass im Falle eines Widerrufs das bereits ausgezahlte Darlehen zurückzuzahlen und Zinsen zu vergüten sind. „Der pro Tag zu zahlende Darlehensbetrag ist anzugeben.“ Gegen diese gesetzliche Verpflichtung, für jedes Teildarlehen den jeweils zu zahlenden Tages-Darlehensbetrag anzugeben, verstößt die Angabe eines zusammenfassenden Zinsbetrags für die Gesamtheit aller Teildarlehen.
Einschlägige Gerichtsentscheidungen liegen dazu bislang noch nicht vor, da diese Fehlerkonstellation erst kürzlich entdeckt worden ist. Gemäß den Erfahrungsberichten von Verbraucheranwälten besteht zumindest bei der Commerzbank eine prinzipielle Bereitschaft zum Abschluss außergerichtlicher Vergleiche etwa über die Fortsetzung des widerrufenen Darlehensvertrages zu günstigeren Zinskonditionen oder die vorzeitige Ablösung unter Verzicht auf eine Vorfälligkeitsentschädigung. Bei der DSL wäre dies noch auszutesten. Es ist aber davon auszugehen, dass es auch die DSL ehr nicht auf eine gerichtliche Entscheidung ankommen lässt.
Der
Vorfälligkeits-Joker
Darlehensnehmer, die ihre Immobilie verkaufen wollen oder müssen (bspw. Scheidung oder Umzug) und in diesem Zusammenhang den Immobilienkredit vor Ablauf der vereinbarten Zinsbindung ablösen möchten, sehen sich mit der Forderung ihrer Bank auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung konfrontiert, die auf dem gegenwärtigen historischen Niedrigzinsniveau oftmals eine exorbitante Höhe besitzt. Was tun?
Der Vorfälligkeitsjoker bildet eine neue erfolgsträchtige Möglichkeit für Darlehensnehmer, um sich gegen Ansprüche auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung (VfE) zur Wehr zu setzen bzw. die Rückzahlung einer bereits gezahlten VfE durchzusetzen.
Diese Option wird durch § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB für Darlehensverträge eröffnet, die ab dem 21.03.2016 abgeschlossen worden sind. Gemäß dieser Vorschrift ist im Falle der vorzeitigen Zurückzahlung des Darlehens der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen, wenn
„im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind“.
Zwischenzeitlich sind eine Reihe von
Gerichtsentscheidungen zugunsten der betroffenen Darlehensnehmer
ergangen, die eine erhebliche Bandbreite von Fehlern offenbaren,
die den Banken insbesondere im Zusammenhang mit der Information
über die Berechnungsmodalitäten der
Vorfälligkeitsentschädigung unterlaufen sind.
Typische Fehler der Kreditinstitute
Fehler Nr. 1: Verstoß gegen die europarechtlichen Anforderungen des EuGH
Das Urteil des EuGHs vom 09.09.2021 (Rechtssachen C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20) ermöglicht die Rückforderung von gezahlten Vorfälligkeitsentschädigungen bei beinahe allen Immobiliarverbraucherdarlehen ab dem 21.03.2016.
Denn das Urteil stellt Anforderungen an die Erteilung der Information über die Berechnung der Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung auf, die in aller Regel von den Banken nicht erfüllt werden. Dies gilt insbesondere für den weit verbreiteten Hinweis, dass die Vorfälligkeitsentschädigung nach der Aktiv- Passiv-Methode des Bundesgerichtshofs berechnet werde. Gemäß den Festsstellungen des EuGH entspricht dieser Hinweis jedoch nicht den Vorgaben der Europäischen VerbrKrRiLi, deren Umsetzung § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB i.d.F vom 11.06.2010 diente und der zum 21.03.2016 auf Immobiliarverbraucherdarlehen erweitert wurde.
Auszüge aus dem EuGH-Urteil:
"Rn 100: Zu diesem Zweck ist es in Bezug auf die bei vorzeitiger Rückzahlung fällige Entschädigung nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. r der Richtlinie 2008/48 zwar nicht erforderlich, dass der Kreditvertrag die mathematische Formel nennt, mittels deren diese Entschädigung berechnet wird, doch muss er die Methode zur Berechnung dieser Entschädigung in einer konkreten und für einen Durchschnittsverbraucher leicht nachvollziehbaren Weise angeben, so dass dieser die Höhe der bei vorzeitiger Rückzahlung fälligen Entschädigung anhand der im Kreditvertrag gegebenen Informationen bestimmen kann.
Rn 101: Ein bloßer Verweis für die Berechnung der im Fall der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens geschuldeten Entschädigung auf den von einem nationalen Gericht, im vorliegenden Fall vom Bundesgerichtshof, vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen genügt jedoch nicht dem in Rn. 99 des vorliegenden Urteils angeführten Erfordernis, dem Verbraucher den Inhalt seiner vertraglichen Verpflichtung zur Kenntnis zu bringen."
Auch die ergänzenden Erläuterungen, die
üblicherweise im Vertragspassus über die Berechnungsmodalitäten der
VfE gegeben werden, setzen den durchschnittlichen
Darlehensnehmer nicht in die Lage, die Höhe des Anspruchs der Bank
zu berechnen. In den Anwendungsbereich des
EuGH-Urteils fallen die Darlehensverträge beinahe aller
Kreditinstitute beispielsweise der Sparkassen, Volksbanken,
Sparda-Banken, desweiteren auch Deutsche Bank, DSL und ING
Diba.
Fehler Nr. 2: Unzureichender Passus in Darlehensverträgen der Commerzbank
Von besonderer Bedeutung ist ein Urteil des OLG Frankfurt vom 01.07.2020 (17 U 810/19) = NJW-RR 2020,1121, in dem das Gericht einen in Immobiliendarlehens- Verträgen der Commerzbank standardmäßig verwendeten Passus als unzureichende Information beanstandete.
Der vom OLG Frankfurt beanstandete Passus lautet wie folgt:
„7. Voraussetzungen und Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens (…)
Zunächst ermittelt die Bank unter Berücksichtigung etwa vertraglich vereinbarter Sondertilgungsrechte wann und in welcher Höhe Zahlungen vom Darlehensnehmer zu entrichten gewesen wären, wenn das Darlehen fortgeführt worden wäre. In einem weiteren Schritt ermittelt die Bank, welchen Betrag sie zum vorgesehenen Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung anlegen muss, damit der Bank der vereinbarte Betrag zum vorgesehenen vertraglichen Fälligkeitstermin der jeweiligen ausstehenden Rate zur Verfügung stehen würde. Dabei differenziert die Bank wie folgt: Soweit Pfandbriefe mit entsprechenden fristen-kongruenten Laufzeiten vorhanden sind, legt die Bank für die Verzinsung des vorzeitig zurückgezahlten Darlehenskapitals die Zinssätze der entsprechenden am Kapitalmarkt verfügbaren Hypothekenpfandbriefe zugrunde. Die Summe der so ermittelten Anlagebeträge abzüglich des noch nicht zurückgezahlten Darlehensbetrages stellt die Ausgangssumme der Vorfälligkeitsentschädigung dar“
Das OLG Frankfurt gründete seine Feststellung einer unzureichenden Information darauf, dass es die Commerzbank unterlassen habe, darüber aufklären, wie die Berechnung erfolgt, wenn Hypothekenpfandbriefe nicht vorhanden sind wie bpsw. im Falle unterjähriger Laufzeiten.
Nach der Zurückweisung die
seitens der Commerzbank gegen das Urteil des OLG Frankfurt
eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde durch einen Beschluss
des BGH vom 28.06.2021 (BGH XI ZR
320/20), erkennt die Commerzbank nunmehr in aller
Regel bei dieser Fallkonstellation bei anwaltlich vertretenen
Darlehensnehmern an, dass sie keine VfE beanspruchen kann. Die
anwaltlich betreute Durchsetzung des Anspruchs auf
Rückzahlung einer bereits entrichteten Vorfälligkeitsentschädigung
kann deshalb nunmehr auch Darlehensnehmern empfohlen werden, die
über keine eintrittspflichtige Rechtsschutzversicherung
verfügen.
Fehler Nr. 3: Fehlerhafte Information über
den Zeitraum der geschützten
Zinserwartung
d.h. den Zeitraum, für den eine Vorfälligkeitsentschädigung überhaupt geschuldet wird.
Das ist, falls die Zinsbindung nicht bereits früher endet, der frühestmögliche Kündigungstermin des Darlehens. Immobiliendarlehen sind gem. § 489 BGB unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten ohne Entschädigung kündbar, sobald zehn Jahre seit Vollauszahlung verstrichen sind. Die Bank darf ihren Zinsverlust dann entsprechend nur bis zum erstmöglichen Kündigungstermin berechnen. Wird der Eindruck erweckt, es könne ein Schaden über die gesamte Vertragslaufzeit hinweg berechnet werden, stellt dies einen Fehler dar, der zum Verlust des Anspruches der Bank auf eine VfE führt. So das Landgericht Konstanz, Urteil vom 08.12.2020 (C 4 O 155/20 = BeckRS 2020, 43962) sowie das Landgericht Hamburg, Urteil vom 19.02.2021 (318 O 164/20) = BeckRS 2021, 10496.
Fehler Nr. 4: Kein Hinweis auf Berücksichtigung der Sondertilgungsoption
In zahlreichen Kreditverträgen insbesondere der Genossenschaftsbanken (Sparda- und Volksbanken) sowie der Deutschen Privat- und Geschäftskundenbank AG von 2018 fehlt der Hinweis, dass vereinbarte Sondertilgungsrechte zugunsten des Kunden zu berücksichtigen sind. Dadurch fällt die Vorfälligkeitsentschädigung meist deutlich niedriger aus als bei Krediten mit starrer Tilgung. Eine derartige Unterlassung hat gemäß dem Urteil des Landgerichts Konstanz vom 08.12.2020 (C 4 O 155/20) = BeckRS 2020, 43962) ebenfalls den Wegfall des Anspruches der Bank auf eine VfE zur Folge.
Fehler Nr. 5: Falscher Bezugsmaßstab bei der Berechnung des Zinsausfallschadens
Verträge von Genossenschaftsbanken (insbesondere der Sparda-Banken) enthalten des Öfteren den Hinweis, dass für die Berechnung des Zinsschadens die Renditen von „Kapitalmarkttiteln öffentlicher Schuldner“ maßgeblich sind, z.B. von Bundesanleihen. Gemäß BGH-Rechtsprechung (BGH, Urteile vom 07.11.2000 - XI ZR 27/00 sowie vom 30.11.2004 - XI ZR 285/03) sind hingegen die höheren Renditen für Hypothekenpfandbriefe anzusetzen.
Fehler Nr. 6: Nichtangabe des Verhältnisses maßgeblicher Parameter bei der Berechnung des Zinsschadens
Mit einem Urteil vom 10.02.2021 (2 O 872/19) hat das Landgericht Rostock die Ostseesparkasse zur Rückzahlung von über 23.000 € Vorfälligkeitsentschädigung verurteilt. Sollte dieses Urteil in Rechtskraft erwachsen, wäre die Bahn frei für eine Vielzahl von Parallelverfahren, da das Vertragsformular bundesweit von zahlreichen Sparkassen verwendet wird.
In den Verträgen einiger Kreditinstitute kommen sogar mehrere der dargestellten Fehler gleichzeitig vor. So kombinieren Darlehensverträge der Sparda-Bank Hessen sowie der Hamburger Volksbank die Fehler 3-5, während das massenweise verwendete Vertragsformular der Commerzbank an den Fehlern 2 und 3 leidet. Fehler Nr. 1 ist bei beinahe allen Darlehensverträgen unabhängig vom Kreditinstitut aufzufinden. Die Häufung von Fehlern erhöht natürlich stark die Erfolgsaussichten für die Durchsetzung der Rückforderung der VfE bzw. befördert die außergerichtliche Vergleichsbereitschaft der betroffenen Banken.
Fehlinformationen im Darlehensvertrag
sind nicht heilungsfähig
Einer Bank nutzt es in den geschilderten Fällen nichts, wenn sie später bei der Ablösung des Kredites die Entschädigung gleichwohl korrekt berechnet oder in diesem Zusammenhang eine den gesetzlichen Maßstäben genügende Information über die Berechnungsmodalitäten erteilt. Derartige Informationsfehler im Darlehensvertrag kann die Bank nicht mehr heilen. Wenn die Angaben über die Berechnung der VfE im Darlehensvertrag unzureichend sind, entfällt der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung.
Zusammenfassung:
Dementsprechend lässt sich festhalten, dass von der Regelung des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB alle Darlehensnehmer profitieren können, bei denen folgende Voraussetzungen gegeben sind:
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Rechtsanwalt Prof. Dr. Albert Krölls
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Erfolgsperspektiven für den Widerruf von PKW-Finanzierungsverträgen nach dem EuGH-Urteil vom September 2021
Mit einer Aufsehen erregenden Entscheidung vom 09.09.2021 (Az C - 33/20, C - 155/20, C - 187/20) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein wegweisendes Urteil zur Widerrufbarkeit von Verbraucherdarlehensverträgen (insbes. KFZ-Finanzierungsverträgen) mit Ausnahme von Immobiliendarlehensverträgen gefällt. Die Entscheidung, mit der der EuGH die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) für europarechtswidrig erklärt hat, dürfte zur Folge haben, dass nunmehr beinahe die Gesamtheit solcher Verträge noch viele Jahre nach Vertragsabschluss widerrufen werden kann. Mehrere instanzgerichtliche Entscheidungen des Landgerichts Braunschweig zuständig für Klagen gegen die VW-Bank (Hinweisbeschluss vom 21.10.2021, Az. 5 O 6936/19) sowie jüngst auch das OLG Stuttgart (Urteil vom 02.11.2021 - 6 U 32/19 = BeckRS 202, 32938) - zuständig für Klagen gegen Daimler-Benz - sind bereits auf die Linie der europarechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts eingeschwenkt. Es steht zu erwarten, dass sich diese Rechtsprechungstendenz früher oder später auch bundesweit durchsetzen wird.
Im Einzelnen hat der EuGH folgende rechtliche Anforderungen an die Pflichtangaben formuliert, die in einem Darlehensvertrag über die KFZ-Finanzierung enthalten sein müssen, damit die 14-tägige Widerrufsfrist in Lauf gesetzt wird:
Konkrete Angabe des Verzugszinssatzes
Danach ist Angabe eines abstrakten Zinssatzes (wie 5 % über dem Basiszinssatz) nicht ausreichend, sondern es muss ein konkreter Zinssatz zum Vertragsabschlusszeitpunkt angegeben werden. Beschreiben werden muss auch der Modus der Änderung des Zinssatzes
Angabe der Berechnungsmodalitäten einer Vorfälligkeitsentschädigung
Der Modus der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung muss so konkret angegeben werden, dass die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung anhand der im Darlehensvertrag erteilten Informationen durch den Verbraucher errechnet werden kann.
Angabe zu außergerichtlichen Beschwerdeverfahren
Im Kreditvertrag müssen die wesentlichen Informationen über außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren und gegebenenfalls die mit diesen Verfahren verbundenen Kosten, angegeben werden.
Die geschilderten Anforderungen an die Ordnungsgemäßheit dieser Pflichtangaben sind in den Darlehensverträgen deutscher Kreditinstitute insbesondere der Autobanken flächendeckend nicht erfüllt worden, so dass damit im Prinzip (beinahe) jeder KFZ-Finanzierungsvertrag widerrufen werden kann.
Konsequenzen des Widerrufs von Autofinanzierungsverträgen
Verbraucher, die ein Auto über eine Kreditfinanzierung erworben haben, können im Falle eines wirksamen Widerrufes des PKW-Finanzierungsvertrags das kreditfinanzierte Fahrzeug an den Verkäufer zurückgeben. Da es sich beim gemeinsam abgeschlossenen Kauf- und Kreditvertrag um ein sogen. Verbundgeschäft gem. § 358 BGB handelt, wird zusammen mit dem Kreditwiderruf auch der Kaufvertrag rückabgewickelt. Der Verbraucher gibt sein Auto zurück und erhält im Gegenzug seine Anzahlung und seine Raten zurück. Die Bank hat demgegenüber einen Anspruch auf den Sollzins für die Zeit ab Auszahlung des Kreditbetrages bis zum Widerruf sowie einen Wertersatzanspruch gegen den Käufer. Aus der Differenz der wechselseitigen Ansprüche errechnet sich der finanzielle Nutzen des KFZ-Käufers aus dem Widerruf.
Bemessung des Wertersatzes
Der Wertverlust bemisst sich laut BGH nach der Vergleichswertmethode. Danach hat der Käufer die Differenz zwischen dem Verkehrswert des finanzierten Fahrzeugs bei Abschluss des Darlehensvertrags und dem Verkehrswert des Fahrzeugs bei dessen Rückgabe an den Darlehensgeber zu ersetzen. Nach Auffassung beispielsweise des OLG Düsseldorf ist bei einem Wertersatz für die Fahrzeugnutzung die Händlermarge abzuziehen. Gemäß einem Urteil des OLG Stuttgart vom 21.09.2021 – 6 U 184/19 ist die Umsatzsteuer ebenfalls aus dem Verkaufspreis herauszurechnen (allerdings auch aus dem Restwert).
Für wen lohnt sich ein Widerruf?
Ein Widerruf ist vor allem für diejenigen sinnvoll, die sich von dem durch den Kreditvertrag finanzierten Kaufvertrag lösen wollen, insbesondere die Käufer eines von Abgasskandal betroffenen Modells. Ein Widerruf rechnet sich auch, wenn die Verzinsung bei Abschluss des Kreditvertrages sehr hoch war und die Restschuld durch ein sehr viel günstigeres Darlehen abgelöst werden kann. In Betracht kommt ein Widerruf auch dann, wenn die Absicht besteht, einen Kredit ohne Vorfälligkeitsentschädigung vorzeitig abzulösen. Zugleich eröffnet der Widerruf die Möglichkeit, sich von einer überteuertem Restschuld- oder R